(sic)
Stadtgeflüster vom 8. September 2012

07.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:05 Uhr

(sic) In Friedrichshofen war die Gottlosigkeit daheim. Und sie soll sich hier – Herr steh uns bei! – auch noch total wohl gefühlt haben, wie erfahrene Gegenreformatoren berichten. Das lag an der hohen Ketzerdichte dort in dem einst finsteren Tal zwischen Gaimersheim, Ingolstadt und Gerolfing.

Im frühen 19. Jahrhundert hatten sich hier – Maria hilf! – Lutherische angesiedelt. Leibhaftige Lutherische! Arme Seelen also, die – Jesus, Maria und Josef! – nicht an Wunder glauben und Heiligen teilnahmslos gegenüberstehen.

Solches Volk brachte das einst ärmliche Friedrichshofen ganz groß raus. Und noch heute erzählen ältere Schanzer, die der wahren, nämlich katholischen Konfession angehören, dass sie sich sofort bekreuzigen, wenn sie nach Friedrichshofen kommen; wegen der vielen Evangelischen. Das ist echt so! Wer es nicht glaubt, sollte am heutigen Samstag den Bayerischen Abend in der Volksschule Friedrichshofen besuchen (Beginn 20 Uhr). Da erzählt der Ortschronist Gustl Bernhardt – noch so ein Evangelischer – gerne mehr Anekdoten wie diese. Und wer Lutherlieder verantworten kann, darf um 19 Uhr auch in die Ökumenische Andacht gehen.

Trotz lobenswerter Beharrungskraft ist die Schanz heute leider keine feste Burg der Gegenreformation mehr. Aber sie haben wirklich alles gegeben, die Geistlichen. Etwa die Deutung der Geschichte gemäß dem richtigen Glauben. Noch in den achtziger Jahren kamen kleine Katholiken aus dem Kommunionunterricht und taten allen Ketzern in der Klasse kund: „Der Herr Pfarrer hat gesagt, dass euer Luther den Dreißigjährigen Krieg angezettelt hat!“

Es war auch die Zeit, da katholische Ingolstädter Schüler sich ausgiebig der Firmvorbereitung samt Tagesausflug widmen durften, derweil die Evangelischen normalen Unterricht hatten. Aber dann ging es bergab. 2007 berichtete der DK über die schwindende Kraft des städtischen Katholizismus, nachdem ein hiesiger evangelischer Pfarrer mit gütigem (und nur ganz klein wenig diabolischem) Lächeln erzählt hatte, dass bei uns der Katholikenanteil der 50-Prozent-Marke entgegensackt.

Und nun auch noch das: Die Protestanten rüsten auf! Diesen Sonntag wird in der Dreieinigkeitskirche Baar-Ebenhausen ein neuer Seelsorger für die Gemeinde Brunnenreuth in sein Amt eingeführt. Peter Plack. Doch der 53-Jährige ist nicht nur Pfarrer, sondern nach Auskunft des Dekanats auch ausgebildeter „Visionssucheleiter“.

Visionssucheleiter, das ist mal ein Beruf! Zumal in Ingolstadt, wo jede Verwaltungsnovelle als Vision durchgeht. Pfarrer Plack erklärt die Visionssucheleitung so: „Mit Jesus in der Wüste (oder an einem anderen einsamen Ort) Gottes Nähe in seiner Schöpfung erfahren und – von allen guten Geistern gestärkt – zu sich selbst zu finden.“ Die Visionssucheleiter, sagt Plack, „begleiten diesen Prozess einfühlsam, reflektiert und fachkundig“.

Das fürchten die katholischen Konkurrenten auch. Herr, steh’ ihnen bei.