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Stadtgeflüster vom 8. Dezember 2016

07.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

(rl) Wer hat's erfunden? Die Schweizer, wer sonst. Wer kennt sie nicht, die legendäre Werbung eines Schweizer Herstellers für halsschmeichelnde Kräuterbonbons, die seit 1998 das schöne schwiizerdütsche Wort "Chrüterchraft" auf unsere Bildschirme bringt?

Der Erste oder der Zweite sein, das macht ja nun bekanntlich immer den Unterschied. Das ist bei der Mondlandung nicht anders als beim Sport, in der Wirtschaft und - ja, da nehmen wir uns nicht aus - in der immer schneller werdenden Medienwelt. Selbst die Pressesprecher eines Unternehmens liefern sich untereinander manchen Wettbewerb, wer mit einer erfreulichen Nachricht als Erster an die Öffentlichkeit geht.

Ein Paradebeispiel dafür gab es diese Woche bei der Betriebsversammlung unseres durch "Dieselgate" arg gebeutelten Automobilherstellers Audi. Der hatte bekanntlich Gutes zu vermelden. "Audi verlängert Beschäftigungsgarantie", frohlockte die Kommunikationsabteilung des Unternehmens in einer Mail, die um 14.42 Uhr in der DK-Redaktion einging, also lange Zeit, bevor der "Herr der Ringe", namentlich Audi-Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler, bei der Betriebsversammlung am Rednerpult stand. Das Geheimnis um die Verlängerung der Beschäftigungsgarantie bis 2020 hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal Gesamtbetriebsratsvorsitzender Peter Mosch gelüftet - denn die Betriebsversammlung, so war zu hören, hatte um diese Zeit noch gar nicht begonnen.

Als Einladender oblag es selbstredend dem obersten Gewerkschafter, die frohe Botschaft zu verkünden und den Kolleginnen und Kollegen bei der Betriebsversammlung ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk zu präsentieren. Im Nachhinein soll Peter Mosch etwas konsterniert gewesen sein, weil das Unternehmen vor der Gewerkschaft mit einer Pressemitteilung herausgegangen ist - und der Betriebsratsvorsitzende darin noch nicht einmal erwähnt worden ist. Im Gegenzug hatte die Kommunikationsabteilung der Arbeitnehmervertreter, die anderthalb Stunden später in einer Mail an unsere Zeitung die Beschäftigungsgarantie als "Erfolg im Sinne der Audi-Belegschaft" bekannt gab, in ihrem Text wiederum den Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler mit keinem Wort erwähnt.

Den 61 000 Audianern in Deutschland und nicht zuletzt den über 10 000 aus Ingolstadt, die zur Betriebsversammlung kamen, dürften derlei Befindlichkeiten wurscht sein. Wer hat's erfunden? Piepegal. Was zählt, ist die gute Nachricht.