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Stadtgeflüster vom 30. September 2015

29.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

(rh) Das Neue Rathaus und das Stadttheater sind beinahe Altersgenossen aus den frühen sechziger Jahren. Mögen auch nicht alle Ingolstädter sie gleich ob ihrer architektonischen Gestalt ins Herz geschlossen haben, so vereint die beiden Gebäude doch ihre vornehmste Aufgabe, nämlich das Lebensglück der Menschen zu befördern.

Nach einem halben Jahrhundert wagen wir nun das vorläufige Resümee, dass mehr Ingolstädter das Theater mit beglückenden Erfahrungen verlassen haben als das Neue Rathaus. Eine spannende Neuinszenierung, ein begeisterndes Konzert und selbst der Krönungsball der Narwalla erheben das Gemüt und vermitteln eine Ahnung von einer besseren Welt, wohingegen eine Debatte des Stadtrates im Sitzungssaal eher geeignet ist, die Grenzen des menschlichen Geistes aufzuzeigen.

So wird sich wohl kein heute amtierender Stadtrat mehr vorstellen können, mit welchem Bürgerstolz und welchem Enthusiasmus die Stadt 1966 ihren avantgardistischen Theaterbau in Besitz nahm und mit Leben zu füllen begann. „Der Festsaal gehört zu den imponierendsten Konzertbauten, die ich kenne“, schwärmte der bekannte Kunstkritiker Wieland Schmid. „Die Landeshauptstadt München wird Ingolstadt um diesen zugleich sachlichen und schönen Konzertsaal beneiden.“ Rudolf Hartmann, gebürtiger Ingolstädter und damals Intendant der Bayerischen Staatsoper, schickte sogar per Sonderzug das Ensemble seines Hauses in seine Heimatstadt zu einer Festaufführung von Mozarts „Figaro“.

Doch leider ist dieses goldene Zeitalter des kulturellen Neubeginns ebenso verblasst wie die schäbig vernachlässigten Blattgoldbilder von Heinrich Eichmann an den Wänden des Theaters. Obwohl: Man kann eigentlich nicht behaupten, dass das Stadttheater bei den Politikern nicht in aller Munde wäre. Immer wenn nach Einsparmöglichkeiten gefahndet wird – so auch im Gefolge des jetzigen VW-Skandals –, fällt wie ein Reflex der Begriff Theatersanierung.