(rh)
Stadtgeflüster vom 30. Oktober 2014

29.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

(rh) Das medizinische Berufsbild klang im ersten Moment etwas fremd, aber seien wir ehrlich: Welcher Redakteur hätte nicht ab und zu die Unterstützung eines „Pressetherapeuten“ nötig? Welcher Zeitungsmensch bedürfte nicht nach vielen Dienstjahren einer Therapie, um sich zu vergewissern, ob er tatsächlich den richtigen Beruf gewählt hat? Und so hätten wir um ein Haar ganz spontan unsere Zusage gegeben, als im persönlichen E-Mail-Fach eine Einladung zum „Webinar“ auftauchte. Dass die Veranstalter sich ausgerechnet diesen Adressaten ausgesucht hatten, lag auf der Hand.

Gilt er doch unter den Kollegen der Lokalredaktion als ein mit allen Wassern gewaschener Online-Virtuose, dem im Netz so schnell keiner was vormacht.

Zudem kamen die Modalitäten dieses Web-Seminars den Arbeitsgewohnheiten des Journalisten – Hauptsache nicht zu früh aufstehen – sehr entgegen. „Um dabei zu sein“, versprach der Pressetherapeut, „müssen Sie nicht einmal Ihr Büro verlassen – Computer einschalten und los geht’s!“ Noch verlockender schien jedoch ein weiteres Angebot: „Der Pressetherapeut kommt für ein Tagescoaching auch direkt in Ihr Unternehmen. Oder Sie besuchen ihn in seiner Praxis in Wien.“

Es wäre für uns wohl ein Leichtes gewesen, den Chefredakteur vom Nutzen einer therapeutischen Dienstreise in die Hauptstadt Österreichs zu überzeugen. Als wir allerdings der Einladung entnehmen mussten, dass der maximale Erfolg einer Behandlung darin besteht, den Medien möglichst viele PR-Texte unterzujubeln, nahmen wir schließlich Abstand von einem Reiseantrag. Dann doch lieber zur wöchentlichen Gruppentherapie mit Dr. Treffer bei der städtischen Pressekonferenz – jeden Dienstag kostenlos im Rathaus.