(sic)
Stadtgeflüster vom 3. Oktober 2013

02.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:35 Uhr

(sic) „Früher war mehr Lametta!“ Loriots zeitlos gültige Feststellung bedarf heute etwas der Modifizierung, denn es gibt jetzt eine Welt, in der es Lametta regnet wie nie zuvor: das bayerische Schulwesen. Je mehr Kritik am System es hagelt, desto einfallsreicher tut sich das Kultusministerium bei der Kreation total toll klingender Titel und Prädikate für Schulen hervor.

Das steigert den Glanz, hebt die Laune – und ist auch noch derart günstig! Wie Lametta eben.

Das Vorbild dafür ist sicher Österreich, wo verdiente Menschen zu (völlig nutzlosen) Hof- und Geheimräten ernannt werden, was den Staat nur eine Urkunde und das Porto kostet, ihm aber die ewige Liebe der Geehrten einbringt.

Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle hat das Prinzip erfolgreich adaptiert. Im Freistaat dürfen inzwischen 100 Schulen das Prädikat „MINT-freundlich“ im Namen führen. MINT ist die neue Modeabkürzung für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – jene Fächer, die unter zu vielen deutschen Schülern als uncool gelten, was sich in einer Ingenieursnation auf Dauer freilich auch eher uncool auswirkt. Aber diese Sorgen sind jetzt unbegründet, denn seit Kurzem darf sich endlich unser Katharinen-Gymnasium damit schmücken, „MINT-freundlich“ zu sein; im Unterricht macht das zwar fast keinen Unterschied, auf dem Türschild und auf den Briefköpfen aber umso mehr.

Das Reuchlin-Gymnasium kann jetzt ebenfalls ein neues Gütesiegel neben das Klingelschild schrauben: Es ist zu einer „Referenzschule für Medienbildung“ ernannt worden, so wie 30 weitere. Dieses Prädikat taugt auch prima zum Protzen, nur leider gibt es dafür keine pfiffige Abkürzung à la MINT.

Dabei kann das echt reizvoll sein! Die neue Gebrüder-Asam-Mittelschule an der Maximilianstraße läuft etwa unter GAMS. Die Swiss International School in Friedrichshofen achtet auch auf kindgerechte Abkürzungen. Im Logo steht SIS, aber der Förderverein der Privatschule hat noch ein I für Ingolstadt angehängt. SISI, oder besser Sisi.

Mei! Wie die junge Kaiserin! Die sich auch nur mit zwei S geschrieben hat. Diese Assoziation ist bestimmt gewollt, denn Werbestrategen wissen: Wenn gar nichts mehr geht – die Sisi zieht immer. Erst recht in einer Schule, die sich bisher nur mit einstelligen Anmeldungszahlen ab der fünften Jahrgangsstufe hervortut. Aber Sisi wird die SIS gewiss beseelen! Und sollte das Haus auch noch MINT-freundlich sein, werden die Schüler sicher bald derart hereindrücken, dass irgendwann mal ein zweiter Bunsenbrenner nötig wird.