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Stadtgeflüster vom 3. Januar 2017

02.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:51 Uhr

(tjs) Geduld ist eine Tugend. Das gilt in wahrlich vielen Angelegenheiten des Lebens - auch in einer Stadt wie Ingolstadt, in der die (noch) boomende Automobilindustrie als Sinnbild für die Schnelllebigkeit des 21. Jahrhunderts steht. SPD-Stadträte zum Beispiel kämpfen seit vielen Jahren ausdauernd um Aufmerksamkeit für ihre Anträge. Erfolgsverwöhnte FCI-Anhänger mussten in dieser Saison außerdem leidvoll lange auf den ersten Sieg warten. Und DK-Angestellte können an der roten Ampel dreimal dieselbe CD durchlaufen lassen, wenn sie nach links auf den Mitarbeiterparkplatz abbiegen wollen.

Dort angekommen, geht es für die Redakteure erst so richtig los mit dem Warten. Darauf, dass der Kaffeeautomat morgens endlich frei wird. Oder auf den Rückruf des Pressesprechers eines Unternehmens mit der wertvollen Aussage: "Wir sagen nix, aber wir sind sowieso ganz toll." Schließlich nimmt auch das Nachdenken für eine tolle Artikelidee viel Zeit ein. Dafür wird schon einmal das DK-Archiv durchforstet, das bis 1945 zurückreicht - und den einen oder anderen Layout-Unfall der vergangenen Jahrzehnte offenbart. Wie beim puzzleartigen Computerspiel Tetris sind Artikel sowie Fotos scheinbar wild zusammengefügt, wie es sich die jüngeren DK-Leser vielleicht gar nicht mehr vorstellen können.

Und dann sind da natürlich die Artikel selbst, die durchaus eines schmunzelnden Blickes würdig sind. So auch der Bericht "Kosmetische Kniffe - serviert nach Mathematik und Latein" aus dem Jahr 1967. Geduld sei "eine Tugend der Frauen, wenn es um die Schönheit geht", wurde dem Artikel zufolge den aufgeklärten Mädchen des Katharinen-Gymnasiums in einem Kosmetikkurs gelehrt. Mehr als 80 Prozent aller Oberstufenschülerinnen sollen sich für den von der SMV organisierten Schönheitslehrgang interessiert haben, um sich "zu den gepflegtesten jungen Damen an bayerischen Gymnasien" zählen zu dürfen, so der DK damals. Sogar zwei "Lehrerinnen der Gesichtsverschönerung" waren eingeladen worden, die den Musiksaal kurzzeitig in einen Schönheitssalon verwandelten. Ein wahrer Segen für die gebildete Frau!

Warum das Katherl mit solch kundigen Absolventinnen in seiner Geschichte 50 Jahre später mit sinkenden Schülerzahlen zu kämpfen hat, ist also ein Rätsel. Vielleicht ist es eine Überlegung wert, Schönheitslehre wieder mit in den Stundenplan aufzunehmen. Da das Gymnasium mittlerweile bekanntermaßen auch Buben unterrichtet, könnten Kurse wie "Bartrasur: Wie vermeide ich Hautirritationen" oder "Cell-Booster und Feuchtigkeits-Turbo: Wie gesund sind Koffeinprodukte" attraktive Angebote sein. Denn insgeheim können es wahrscheinlich auch die jungen Männer kaum erwarten, in die "hehre Kunst der Gesichtsschmückung" eingeweiht zu werden.