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Stadtgeflüster vom 28. April 2016

27.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:54 Uhr

(sic) Über Maria Luise (Malu) Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, gibt es den netten Spruch, sie sei "beliebter als Freibier". Dieses Lob für die vor Kurzem wiedergewählte Landesmutter darf als Rarität gelten, denn sonst werden Politiker und Gratisgetränke meist in einen negativen Zusammenhang gebracht.

In Ingolstadt war das etwa wieder am vergangenen Freitag beim Auftakt des Bierfests sehr eindringlich zu erleben. Da saß ein kompletter Stammtisch reiferer Schanzer in der Dollstraße gemütlich mit einem Seidel beieinander (also jeder eines) und freute sich auf den Festumzug. Die Damen und Herren mussten sich beim Zuschauen allerdings etwas beeilen, weil die historische Ehrenformation so kurz war, dass man nach zwei Schlucken Bier schon wieder das Ende sah. Als schließlich einige Stadträte im Zug winkend vorbeidefilierten, brummte am erwähnten Tisch jemand: "Da schaut's her! Die Freibierlätschn is a dabei."

Schon gemein. Leider spezifizierte der vorlaute Senior nicht näher, wen er nun genau meinte. Es schienen am Tisch aber sowieso alle zu wissen.

Die "Freibierlätschn" gehört zu den lebendigsten, allerdings auch bösesten Spezialbegriffen des Bairischen. Der Sprachwissenschaftler Prof. Ludwig Zehetner definiert die "Lätschen" in seinem Bairisch-Lexikon als "antriebslosen, faden Kerl"; mit Freibier blüht er womöglich auf, aber darüber schreibt Zehetner leider nichts. Ein Kollege von uns hat einmal vorgeschlagen, die "Freibierlätschn" durch die "Freibierpersönlichkeit" zu ersetzen, denn das sei "subtil, aber doch gemein", argumentierte er. Er konnte sich damit gottlob nicht durchsetzen.

Da am 1. Mai der Aufbau des Pfingstvolksfests beginnt, erscheint es angebracht, alle Bürger darum zu bitten, mehr Milde und bierruhige Besonnenheit gegenüber ihren kommunalen Volksvertretern walten zu lassen. Denn man stelle sich einmal vor, was unsere Stadträte alles durchmachen müssen! Stundenlange Sitzungen, gern auch bis in die Nacht, gefüllt mit ausführlichen Willens- und Schicksalsbekundungen von Richard-Wagnerscher Dramatik (aber leider nicht so harmonisch), und das Ganze nur bei Brezen (das Büffet wurde ja eingespart) und Kaffee, der so stark ist wie in der Nachkriegszeit. Fürwahr: Wer solches auf sich nimmt, hat sich mal ein gutes Freibier wirklich verdient!