(smr)
Stadtgeflüster vom 27. Januar 2013

26.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:34 Uhr

(smr) Dr. Frankenstein lebt. Er spukt nicht etwa als Geist in der Alten Anatomie, sondern arbeitet als Arzt am Klinikum Ingolstadt. Ein Mensch aus Fleisch und Blut. Ich bin ihm begegnet.

Es war letzten Donnerstag bei der vorstationären Aufnahme. Eine Art Assessment Center für angehende Patienten. Das äußerst komplizierte Verfahren dient der Klärung, ob man über die nötige Gelassenheit und Konstitution für den geplanten Eingriff verfügt. Kurz gesagt erklärt einem der Arzt mit der gebotenen Professionalität, warum die OP tödlich verlaufen kann. Thrombose, Lungenödem, Hepatitis, Allergien – die Liste der Nebenwirkungen und Risiken ist lang, sehr lang.

Auf den Einwand hin, diese schaurige Litanei bereits in den vorab ausgehändigten Formularen gründlich studiert und quittiert zu haben, seufzt der Arzt: Er muss mir trotzdem alles erklären und sogar protokollieren. Der Ärmste: Dutzende Male am Tag diese hässlichen Worte aufschreiben, wieder und wieder. Mich erinnert das an jenen Tag in meiner Schulzeit, als ich hundert Mal an die Tafel kritzeln musste: „Ich darf im Unterricht nicht schwätzen.“

Jedenfalls genießt der Mann mein Mitgefühl. Bis – ja bis er zum letzten Punkt kommt: „Stellen Sie uns vielleicht Ihren Kopf zur Verfügung“, fragt er seelenruhig. Wie bitte? Mein Herz hört auf zu schlagen, der Angstschweiß bricht aus, die Hände beginnen zu zittern und vor meinem inneren Auge taucht das Bild einer riesigen Lagerhalle auf, doppelt so groß wie das GVZ – voller Schädel. Hab’ ich Halluzinationen? Bin ich auf der falschen Station gelandet? Soll ich vielleicht lieber doch weiter durchs Leben humpeln, mit der kaputten Hüfte?

Entsetzt blicke ich Dr. Frankenstein an und protestiere: „Sie wollen meinen Kopf? Ich lasse mich aber nicht enthaupten!“ Der Arzt grinst und winkt ab: „Ich meine doch Ihren Oberschenkelkopf.“ Wertvolles Material für Orthopäden. Ich biete ihm sofort einen Deal an: mein Kopf gegen fünf Tage auf der Station Komfort plus. Leider ist er nicht befugt, solche Geschäfte abzuwickeln. Schade. Jetzt versuche ich, das Ding auf Ebay zu versteigern. 150 Euro Mindestgebot für feinsten Frischknochen.

(PS.: Liebe Ärzte, liebes Pflegepersonal, dies ist ein humoristischer Beitrag. Ich bin ehrlich total zufrieden mit dem Klinikum und freue mich schon riesig auf die OP und den bevorstehenden Aufenthalt. Bitte, bitte, behandelt mich gut.)