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Stadtgeflüster vom 27. August 2014

26.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

(sic) Eines eint die Österreicher und die Berliner: ihre Aversion gegenüber der Ironie. Wenn ein Hauptstädter Gäste anraunzt, meint er das genauso gschert, wie er es artikuliert. Ebenso ein Wiener.

Egal, ob jemand keift „Meesta! Hör’ mir uff mit dit Jeseire, meine Fresse, und die janze Mischpoke dazu!“ oder „Bist deppert, heast! Du Fränd von am Dschusch!“ – mit solchen Einheimischen ist nicht zu spaßen! Echte Berliner und Wiener kennzeichnet post-imperiale Selbstgewissheit, wie es sich für stolze Angehörige untergegangener Großreiche gehört.

Bei aller Angriffslust kommt in Österreich zumindest das Vokabular milder daher. „Fränd von am Dschusch!“ (Freund eines Jugoslawen) klingt nett, gilt aber als das Maximum des Beleidigens. Dagegen tönt das Berlinerische mit seiner auffällig großen Wortfamilie rund um die „Mischpoke“ preußisch-brachial, was auch an dem starken Drang zu harten Konsonanten liegt. „Sandler“ wirkt eben viel eleganter als das deutsche Pendant „Penner“. „Tschopperl“ ist harmloser als „Volltrottel“, aber genauso gemein. Und birgt „Pickerl“ nicht mehr Charme als „Autobahnmautvignette“, jenes urdeutsche Beamtenblähwort?

Das Austrianische verniedlicht auch Alltagsgegenstände, die man nicht gern in den Vordergrund rückt, jedenfalls nicht ohne Not. Was der Deutsche als „Kotztüte“ kennt, kommt in Österreich verspielt als „Speibsackerl“ daher. Da übergibt man sich gleich viel unbeschwerter. Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ hat dieses schöne Wort vor Kurzem den Lesern drastisch vor Augen geführt, indem sie den Automobilteil mit dieser Überschrift eröffnete: „Kinder, richtet schon einmal das Speibsackerl her.“ Um was mochte es da wohl gehen? Um einen Testbericht über den Audi S 1. Da heißt es: „Der S 1 ist flott, aber keine Bestie. Für Mitfahrende dennoch eine Herausforderung.“ Denn: „Der Wagen ist insgesamt ein bisserl nervös, das kann dem Fahrer und der Fahrerin Spaß machen, auf die Kleinen am Rücksitz wirkt das aber übelkeitsfördernd.“ Da sei „die Speibgefahr erheblich“, warnt der Autor.

Möglicherweise wird auch die Medienabteilung von Audi bei so viel Schmäh ein bisserl nervös. Es würde sicher nicht schaden, auf gut österreichisch zu erwidern: „Ihr habt’s wohl zu viel Kaiserschmarrn mit Obers gnascht, ihr Gaudinockerln, ihr narrischen! Heast!“ Und dazu gibt’s ein handsigniertes Audi-Speibsackerl, serienmäßig.