(tsk)
Stadtgeflüster vom 26. September 2017

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

(tsk) Seit er wählen dürfe, und das sei schon eine sehr lange Zeit, habe er jede Wahl mitgemacht, erzählte uns ein freundlicher Herr jenseits der 70 bei einem Anruf am Sonntag in der Redaktion. Allerdings habe ihn diesmal doch eines ziemlich irritiert: In seinem Wahlbezirk in Hollerstauden habe ihn niemand nach seinem Ausweis gefragt.

Er habe lediglich seine Wahlberechtigung vorzeigen müssen - und habe dann wählen dürfen. Genauso sei es bei zwei Wählern vor ihm gewesen. Dass es uns in unserem Wahlbezirk in St. Monika (übrigens 27,63 Prozent der Zweitstimmen für die AfD) genauso ergangen war, das konnte den Herrn nun auch nicht beruhigen. "Bisher musste ich mich immer legitimieren", sagte er und bat um Aufklärung. "Theoretisch könnte ich dann doch die Wahlkarte jedem geben, den ich mag", meinte er. "Da schreiben s': die russischen Hacker - und dann machen s' selbst so einen Scheiß", erklärte er. Er fürchtete, die Wahl könne womöglich wiederholt werden müssen. Wir versprachen, uns zu kümmern.

Am Sonntagabend während der Auszählung der Stimmzettel im Neuen Rathaus blieb ein wenig Zeit, bei der Stadtverwaltung nachzufragen. Die klare Antwort: Es genügt die Wahlberechtigung. In der Bundeswahlordnung gibt es nämlich keinen Passus, der ausdrücklich das Vorzeigen eines Ausweises verlangt. Im Absatz drei des Paragrafen 56 heißt es: "Auf Verlangen hat er (gemeint ist der Wähler, Anm. d. Red.) seine Wahlbenachrichtigung abzugeben und, insbesondere wenn er seine Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt, sich über seine Person auszuweisen."

Die Wahlhelfer, so erklärte Stadtsprecher Michael Klarner, seien angehalten, beim Eintreten eines Wählers nach der Wahlbenachrichtigung zu fragen und die Daten dann mit dem Wählerverzeichnis abzugleichen. Und dann werde der Wähler einer Plausibilitätsprüfung unterzogen: Ist die Person, die sich als Heidi Mayr ausgibt, wirklich eine Frau - oder sieht sie nur so aus? Hat sich Franz-Xaver Müller, der vor einem steht und laut Unterlagen 74 Jahre alt sein müsste, einfach wahnsinnig gut gehalten - oder gibt sich da ein Mittvierziger nur als dieser Wähler aus? Nur im Zweifelsfall wird dann der Ausweis verlangt. Und das, so versichert die Stadt, sei Praxis in allen deutschen Kommunen.

Dass nun, wie der freundliche Herr befürchtete, sich Betrüger einer größeren Menge fremder Wahlbenachrichtigungen bemächtigen könnten, indem sie ähnlich alten Wählern die Dokumente stehlen und damit das Wahlergebnis beliebig verfälschen könnten, hält man bei der Stadt für ausgeschlossen: "Das wäre dann doch sehr aufwendig." Für die etablierten Parteien wäre es allerdings auch eine einfache Erklärung für ihre Wahlschlappe.