Ingolstadt
Stadtgeflüster vom 23. Januar 2013

22.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:35 Uhr

(ada) Es begann irgendwann in den frühen 1970ern. Manche sagen auch in den späten 1960ern. Damals, als Ingolstadt sich anschickte, modern zu werden. Eben hatte man noch Pläne in der Schublade, die in Nord-Süd-Richtung quer durch die Stadt verlaufende B 13 großzügig auszubauen und dabei störende Bauten wie das Ertl-Eck am Schliffelmarkt und den Koboldbräu Am Stein wegzureißen, da kam alles anders.

Ingolstadt bekam eine Fußgängerzone. Zunächst in der Ludwigstraße, später kam die Hälfte der Theresienstraße dazu, und in der Moritzstraße und Am Stein, dort wo einst die B 13 verlief, dürfen seitdem nur noch Busse und Taxen fahren.

Böse Zungen behaupten ja immer wieder, seitdem habe sich in der Fußgängerzone nichts geändert. Sie versprühe nach wie vor den Charme der 70er Jahre. Das ist natürlich Unsinn. Vor allem seitdem letztes Jahr die neuen Bänke und Pflanzkübel aufgestellt und die alten Bogenlampen mit ihren spinnwebenüberzogenen Glaskugeln abgebaut wurden, ist alles viel besser geworden.

Mit der Moderne der 70er hielt auch ein anderer Trend Einzug: Die Stadt wurde quasi tiefergelegt. Schleichend ging das vor sich. Dort, wo man früher von der Straße einige Stufen in kleine anheimelnde Läden hinaufstieg, wurden plötzlich große Öffnungen in die Häuserfronten geschlagen und die Böden auf Straßenniveau abgesenkt. Schlaue Marketingstrategen hatten herausgefunden, dass die Kunden dies angeblich so wollen: keine Stufen und große Schaufenster. Wer Stufen steigen muss, der kommt nicht. Und wer in 1a-Lagen lukrativ vermieten will, muss sich daran halten.

Natürlich konnte das bei vielen in ihrer Substanz noch mittelalterlichen Häusern nicht gut ausgehen. Die darunterliegenden alten Keller wurden erheblich niedriger, und zum ersten Stock entstanden hässliche Freiflächen in der Fassade. So stehen heute beispielsweise in der Moritzstraße gleich mehrere Häuser nebeneinander, die ausschauen, als hätte der Laden nichts mit dem Haus darüber zu tun. Denkmalschutz hin, Denkmalschutz her.

Ein letztes der markanten alten Häuser, bei dem kleine Treppen hinauf in die Läden führen, steht noch am Rathausplatz. Jahrzehntelang beherbergte das stattliche Gebäude die traditionsreiche Untere Apotheke, dann wechselten die Mieter. Daneben hatte der Bäcker Erhard aus der Donaustraße in den 70er Jahren einst seine erste Filiale aufgemacht, für Bewohner der Altstadt gleich eine beliebte Anlaufstelle. Jetzt sind beide Läden geschlossen, das Haus soll saniert werden, heißt es. Ob es dann auch tiefergelegt wird? Oder hat vielleicht einmal ein Architekt eine andere Idee?