(sic)
Stadtgeflüster vom 20. Februar 2018

19.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

(sic) Der Kleinstaat-Hofgelehrte Johann Wolfgang von Goethe wird maßlos überschätzt. Mit der Freiheit aller Bürger, gar Parlamentarismus, hatte er es überhaupt nicht; der dichtende Hesse war ein ganz schlimmer Fürstenschleimer.

Die Französische Revolution beäugte Goethe mit Abscheu. Gut, das war damals bei allen deutschen Intellektuellen so. Als Herold des aufgeklärten Absolutismus verstand Goethe auch dem Wunsch nach Pressefreiheit einen pfiffigen Kalenderspruch entgegenzusetzen. Er schrieb: "Nach Pressfreiheit schreit niemand, als wer sie missbrauchen will!"

Auch Otto von Bismarck hat die freie Presse gehasst. Er beschimpfte Journalisten gern als "Reptilien"; sie waren für ihn wie lästige Amphibien. Daher erließ der Reichskanzler eine "Preßverordnung" zur Gängelung der Journaille. Dies sei nötig "zur Zurückführung der aufgeregten und verirrten Gemüter zur Ordnung, Gesetzlichkeit und Mäßigung", wie Bismarcks Höflinge säftelten. Sie nannten übrigens eine schwarze Kasse in königlich-preußischer Hand, die dazu diente, Zeitungsredakteure zu bestechen und als "Leibjournalisten" staatlich zu lenken, den "Reptilienfonds".

Manche Mitbürger sind der Überzeugung, dass sich an diesem Prinzip der Meinungslenkung bis heute nichts geändert hat, nur dass man inzwischen von "Systemmedien" und "Lügenpresse" spricht. So wie derzeit im Internet, wo der DK wegen eines Artikels über die AfD seinen ersten echten Shitstorm erlebt: "Der DK war doch schon immer ein Propagandablatt für Linke!", heißt es da. Oder: "Der DK ist vom Staat gelenkt!"

Großartig. Danke! Mehr! Der DK als linkes Kampfblatt - dass wir das noch erleben dürfen!

Ja, zugegeben: Wir sind gesteuert. Der manipulierte Leser darf sich das so vorstellen: Jeden Morgen bekommt die Redaktion eine Mail vom Referat "Medienlenkung Oberbayern Nord" im Bundespresseamt mit neuen Vertuschungen, alternativen Fakten und Verdrehungen. Aus denen suchen wir uns dann die fünf schönsten aus und machen daraus eine Zeitung. Die fertigen Artikel faxen wir (sicher ist sicher - nicht, dass wir eine Lüge vergessen haben) ins Washingtoner Außenministerium (Department "Media Control, Old Europe"). Zur gleichen Zeit gehen die Zensoren des Ingolstädter Presseamts mit roter Tinte über alle DK-Texte und vermerken streng am Rand: "Weniger Wahrheit bitte!" Oder: "Der Staat wünscht mehr ,alles supi'-Artikel!"- Das machen wir sofort, denn sonst bekommen wir vom System zur Strafe eine Woche Fernsehverbot.

Auch die Freimaurer rufen gern in der Redaktion an und maßregeln uns. Da tönt es dann etwa: "Der Bericht über die Jahresversammlung des TSV Nord hätte ruhig ein bisschen unkritischer sein können! Das finden die Weisen von Zion auch."

Ach ja: Sobald der Staat unsere Artikel unter Kontrolle hat, stehen wir alle auf und schmettern die "Internationale".