(ada)
Stadtgeflüster vom 2. Oktober 2015

01.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

(ada) Sagt Ihnen das „Kuratorium Unteilbares Deutschland“ noch etwas? Vermutlich werden sich nur ältere Leser an diese Vereinigung erinnern. Gegründet wurde die Organisation 1954, kurz vor dem ersten Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni. Zu den Mitgliedern gehörten Personen aus der Politik, der Wirtschaft und dem gesellschaftlichen Leben. Ziel war es, die Erinnerung an die Einheit des Landes wachzuhalten. So wurde beispielsweise dazu aufgerufen, an Weihnachten Kerzen in die Fenster zu stellen, um an die Deutsche Einheit zu mahnen. Auch wurden Plakate gedruckt mit der Aufforderung „Denk an Drüben“ und der Versand von Päckchen in die DDR organisiert. Hatte das Kuratorium bis in die 1970er Jahre noch einige politische Bedeutung, schwand sein Einfluss vor allem unter dem Eindruck der Ostverträge der Brandt-Ära zusehends. Die Teilung war eine Tatsache geworden, die immer weniger Menschen infrage stellten.

Auch in Ingolstadt gab es einen Ortsverband des Kuratoriums. Einer seiner Repräsentanten war Kurt Sieber, Lehrer für Geschichte am Scheiner-Gymnasium. Und einer seiner Schüler war der Schreiber dieser Zeilen. 25 Jahre nach der Wiedererlangung der Einheit erinnert der sich heute noch mit Hochachtung an diesen Pädagogen, der einst die Begeisterung für Geschichte bei ihm weckte. Und er erinnert sich im Nachhinein leicht beschämt an heftige Diskussionen über den Sinn oder Unsinn dieses Kuratoriums.

Damals, in den 1980er Jahren, war die Teilung Deutschlands akzeptiert, schien doch die Starrheit der Blöcke unüberwindbar. Und das Thema hat die junge Generation auch nicht mehr sonderlich interessiert. Auf Klassenfahrt wollten wir nach Paris, London oder Rom, der 17. Juni war als Feiertag geeignet, lange Wochenenden am Gardasee zu verbringen, und ins geteilte und triste Berlin fuhr man höchstens, weil die Schulleitung das so wollte. Dort stand man dann im November gelangweilt am Brandenburger Tor herum und starrte ins Grau nach drüben.

Doch der alte Lehrer sollte schließlich Recht behalten, als er damals im Brustton der Überzeugung lapidar meinte: „Warten Sie’s doch einfach ab. Die Einheit Deutschlands kommt!“