(ada)
Stadtgeflüster vom 2. Juli 2015

01.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

(ada) Stellen Sie sich doch mal vor, sie wären Sven Plöger. Sie wissen schon, dieser Wettermensch aus den Tagesthemen. Oder sonst so einer von denen. Gerade hat Caren Miosga der vor dem Fernseher versammelten Republik gewohnt souverän die Abgründe dieser Welt präsentiert. Griechenlandkrise, Eurokrise, IS, Krieg in Syrien und im Sudan oder der Ukraine. Und dazu Flüchtlingselend überall. Kurz: eine Katastrophe nach der anderen. Man könnte jeden Tag meinen, der Untergang der Welt stünde unmittelbar bevor.

Und jetzt dreht Caren sich um. Zu Ihnen. Schaut Sie mit ihren großen Augen, die in die ganzen Abgründe geblickt haben, direkt an. „Und Sven, was haben Sie uns zu berichten“, fragt sie mit einem fast schon fordernden Unterton. Jetzt hilft nichts mehr. Jetzt müssen Sie liefern. Die Republik sitzt zu Hause auf dem Sofa und wartet. Und Caren. Normal geht da nicht mehr. Jetzt muss das echte Wetter her!

Mindestens ein Sommer-Nachtfrost in der Lüneburger Heide. Oder noch besser eine Tornadowarnung für Süddeutschland. Zumindest jedoch eine veritable Gewitterfront, besser noch heftige Wärmegewitter (was immer da der Unterschied ist) oder gleich ein tropisches Hitzegewitter. Und Hagel. Viel Hagel. Am besten alles auf einmal. Natürlich immer versehen mit einem „Könnte“. Denn meistens passiert dann doch eher weniger oder gleich gar nichts. Zumindest nicht in unserem anscheinend irgendwie klimabegünstigten Ingolstadt, wo schwere Unwetter glücklicherweise selten sind.

Offenbar braucht der katastrophenverwöhnte Mensch von heute so etwas. In der Flut der täglichen Nachrichten, die uns ununterbrochen aus allen Kanälen entgegenschwappen und ständig umgewälzt und wiedergekäut werden, muss einfach immer etwas Besonderes, Aufregendes her. Man will auf einem gewissen Schocklevel gehalten werden, sonst schaltet man um auf einen anderen Sender. Zumindest scheinen die Programmverantwortlichen das zu glauben.

Und jetzt kommt also die große Hitze auf uns zu. Natürlich wieder einmal in einer „Welle“. In Südeuropa hat es schon über 40 Grad. In Pakistan gar bis zu 50. Alarmstimmung auf allen Kanälen. Bevor jetzt wieder das große Gezeter und Gejammer angeht und ernst blickende Experten auf die drängende Frage von TV-Moderatoren „Ist das noch normal“ in düsteren Farben die drohende Klimakatastrophe ankündigen, antworten wir: „Ja, das ist es. Es ist ein ganz normaler Juli. Endlich!“