(toe)
Stadtgeflüster vom 16. September 2013

15.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:40 Uhr

(toe) Ja, gibt’s hier Freibier? Oder ist das Gerede von der Politikverdrossenheit bloß eins: Gerede? Wer gestern in einem der Ingolstädter Wahlbüros seine Kreuze machen wollte, der musste unerbittlich sein. Bis auf den Flur reichten die Schlangen vor den Kabinen.

An einem spontanen Demokratieschub lag’s angesichts der Wahlbeteiligung aber nicht. Schuld waren wohl eher die vielen Zettel, die es auszufüllen galt. Wer aber nun glaubt, das bayerische Wahlsystem sei das komplizierteste Europas, wenn nicht gar der Welt, der irrt. Ja, das hat uns auch überrascht. Aber seien Sie gewiss: Es kann schlimmer kommen als fünf Wahlzettel mit gefühlt 300 Namen und kompliziertest-bürokratischen Volksentscheidformulierungen. Die Bosnier werden an der Urne noch mehr gefordert als wir. Wirklich! Auf ihrem Wahlzettel waren 7000 (!) Namen von über 40 Parteien zu lesen. Hinzu kommt, dass zwar alle Bürger gemeinsam das gesamtstaatliche Parlament wählen. Einige aber zusätzlich das der bosniakisch-kroatischen Föderation und die anderen das Parlament der Republika Srpska, dessen Präsident und seinen Stellvertreter. Darüber hinaus wählen die muslimischen Bosniaken, Serben und Kroaten getrennt und nach einem äußerst unübersichtlichen ethnischen Schlüssel das Mitglied für das dreiköpfige Staatspräsidium.

Dieses Wissen tröstet doch ein wenig in der Schlange vor den Wahlbüros. Da erscheinen die bayerischen tischtuchgroßen Wahlzettel in der Kabine doch gleich viel sympathischer.