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Stadtgeflüster vom 1. Juni 2016

31.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:44 Uhr

(sic) Es gehört viel Mut dazu, Herbert Grönemeyer zu widersprechen, schließlich gilt der Chansonnier mit dem markanten Knödel-Bariton als moralische Instanz. Herbert, der Bundesbefindlichkeitspoet aus dem Ruhrgebiet, reimte schon 1986: "Gebt den Kindern das Kommando, sie berechnen nicht, was sie tun.

Die Welt gehört in Kinderhände, dem Trübsinn ein Ende. Wir werden in Grund und Boden gelacht. Kinder an die Macht." Anfang der 90er-Jahre wagt es die Wochenzeitung "Die Zeit", Grönemeyers Postulat infrage zu stellen. Der Artikel über Macht- und Herrschaftsstrategien kleiner Kinder trug die großartige Überschrift "Ungeheuer lieb" und schloss mit der Erkenntnis: Gäbe man Kindern die Möglichkeit dazu, sie würden aus einer Laune heraus mal eben so eine gewaltige Zerstörung anrichten; diesen Verdacht hegt auch jeder Erwachsene, der je auf einem Spielplatz zwischen autoritär übereinander herfallenden Achtjährigen schlichten musste.

Kurz nach der Eröffnung von Kindolstadt, jener pädagogisch wertvollen Alltagslebenssimulation des Stadttheaters für 7- bis 13-Jährige, lässt sich noch nicht abschätzen, welche Staatsform die Kleinen da in ihrer eigenen kleinen Stadt im Exerzierhaus entwickeln: Nimmt hier gar die Utopie von der perfekten Gesellschaft Gestalt an? Oder endet das Ganze in kindgerechter, betreuter Anarchie? Wie berichtet, strebten einige Schüler schon am ersten Tag die schiefe Bahn an: Aus der Kindolstadt-Bank verschwand viel Geld (in der Währung Ingolder, siehe Foto). Die kleinen Verbrecher kauften damit den Kiosk leer, um dann ungesühnt in der Kinderstadt mit Schokoriegeln zu dealen. Also das entspricht jetzt nicht direkt der reinen Lehre der Pädagogik.

Noch ein Bericht lässt aufhorchen: Einige Schüler gingen der Erwerbstätigkeit gleich aus dem Weg und fragten, wo sie in Kindolstadt Hartz IV beantragen können. Ehrlich wahr! Was hecken diese Bälger als Nächstes aus? Fordern sie ein bedingungsloses Grundeinkommen (so wie die Linkspartei)? Oder die Abschaffung der Abgeltungssteuer (so wie die SPD, die diese Kapitalabgabe einst eingeführt hat)? Oder eine Obergrenze für Asylbewerber (so wie die CSU)? Oder die Senkung der Grenze zur Strafmündigkeit auf zwölf Jahre (so wie die AfD)? Hoffentlich gründen die Kleinen keine Bürgerwehren oder führen anderweitig Krieg! Denn bei Kindern an der Macht muss man immer mit allem rechnen.