Ingolstadt
Stadt will in ihren Kindertagesstätten schon wieder die Gebühren erhöhen: Plus 4,9 Prozent

Es formiert sich Widerstand

10.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr
Es steht die nächste Debatte über die Elterngebühren in den städtischen Kindertagesstätten ins Haus. Hier Kinder, Erzieherinnen und ein Erzieher in der Kita Grüne Insel an der Fauststraße im Dezember des vergangenen Jahres. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Die Stadt kündigt an, die Gebühren in ihren Kindertagesstätten ab September um durchschnittlich 4,9 Prozent anzuheben. Auch der Preis für ein Mittagessen steigt: von 3 auf 3,50 Euro. Es wäre die dritte Erhöhung der Elternbeiträge seit Dezember 2015. Schon formiert sich Widerstand.

Zu den beliebtesten beschönigenden Wendungen im Wirtschaftsleben zählt die "Anpassung" von Gebühren oder Beiträgen. Das bedeutet unverblümt: Erhöhung. Und das passt den Betroffenen meist gar nicht.

Das Amt für Kinderbetreuung kündigte jetzt an, die Elternbeiträge in den Kindertagesstätten der Stadt an die Tarifentwicklung "anzupassen". Die geht seit 2015 nach oben. Damals hatten Erzieherinnen in ganz Bayern mit Streiks Lohnerhöhungen erkämpft, durchschnittlich fünf Prozent. Als Konsequenz erhöhte die Stadt Ingolstadt - nach zehn Jahren der Zurückhaltung - die Kita-Gebühren ab Dezember 2015 um durchschnittlich zehn Prozent. Und ab April 2016 gleich noch einmal um 16 Prozent.

Darauf begann ein Aufschrei vieler Eltern und Oppositionspolitiker zu dröhnen. "Innerhalb von sechs Monaten die Gebühren um mehr als 30 Prozent zu erhöhen, ist allen Eltern gegenüber unsozial und unverschämt!", klagte die BGI (die den genannten Wert selbst errechnet hatte). SPD und Grüne äußerten sich ähnlich. Der Stadtrat hatte die Erhöhung um 16 Prozent im Februar 2016 mit knapper Mehrheit beschlossen: 25 zu 23 Stimmen. Vor dem Rathaus demonstrierten während der Sitzung Eltern und Kinder. Die Stimmung war gereizt.

Derlei steht womöglich wieder zu erwarten, denn die nun geplante Anhebung der Elternbeiträge um im Schnitt 4,9 Prozent wäre die dritte binnen 20 Monaten. Der Stadtrat muss dem Vorhaben der Verwaltung jedoch zustimmen. Bereits jetzt formiert sich Widerstand in der Politik und unter den Eltern.

Das Amt für Kinderbetreuung begründet die Erhöhung in einem Brief an die Elternbeiräte der städtischen Kindertageseinrichtungen (der unserer Zeitung vorliegt) mit der Tarifentwicklung seit 2015: Weil die Erzieherinnen mehr verdienen, steigen die Personalkosten. Das müsse mit höheren Elternbeiträgen ausgeglichen werden. Im Jahr 2019 sei ebenfalls "mit einer Steigerung der Entgelttarife zu rechnen". Die Stadt geht von einer Kostensteigerung für das pädagogische Personal von jeweils 285 000 Euro pro Jahr aus. Daher sollen diese Mehrkosten "anteilig über Mehreinnahmen im Bereich der Besuchsgebühren finanziert werden", heißt es recht sperrig im Schreiben der Verwaltung an die Elternvertreter. "Ziel ist es, den Kostenanteil der Elterngebühren an der Finanzierung der Personalkosten stabil zu halten."

Kulturreferent Gabriel Engert präzisierte gestern auf Anfrage die Ausführungen der Verwaltung: "Der Anteil der Eltern an den Gesamtkosten für die Kindertagesstätten beträgt 18 Prozent - und diesen Wert wollen wir stabil halten." Weil die Erzieherinnen seit 2015 Lohnsteigerungen von ca. fünf Prozent erhalten hätten "und auch in den kommenden Jahren Tariferhöhungen zu erwarten sind, halten wir es für vertretbar und sinnvoll, die Elternbeiträge in kleinen Schritten zu erhöhen, damit der Anteil von 18 Prozent an den Gesamtkosten stabil bleibt". Die Stadt werde es nicht wiederholen, die Gebühren länger nicht zu erhöhen (wie zwischen 2005 und 2015) "und dann riesenhaft", so Engert. Das wolle man künftig vermeiden.

Kaum war die Ankündigung der Stadt raus, kam ein lautes Echo zurück: BGI-Stadtrat Jürgen Siebicke ist sauer: "Das ist ein Schlag ins Gesicht der Eltern!", sagte er auf Anfrage. Ihn ärgert, "dass hier wieder die berechtigten Lohnerhöhungen für die Erzieherinnen gegen die Eltern ausgespielt werden". Das müsse aufhören. Siebicke verweist auf die "gute Haushaltslage" der Stadt. "All die düsteren Bilder, die das Finanzreferat nach dem Diesel-Skandal bei Volkswagen an die Wand gemalt hat, sind nicht Realität geworden!" Deshalb fordert der BGI-Stadtrat (einst Mitglied der Linkspartei): "Die Stadt sollte die Gebühren auf den Stand vor den großen Erhöhungen 2015 und 2016 zurücksetzen!" Mindestens. Denn eigentlich, fügt er an, "gehören Kindergartengebühren ganz abgeschafft".

Engert kennt diese Position, aber er vertritt eine andere Meinung: "Es ist für mich keine soziale Tat, alle Eltern von den Kindergartengebühren zu befreien, weil dann auch Millionäre keine Beiträge bezahlen müssten - auf Kosten der Allgemeinheit. Eine soziale Tat ist es, denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können oder die sich in einer schwierigen Situation befinden." Eltern in finanziell prekären Verhältnissen kommt die Stadt bei den Kita-Gebühren entgegen oder erlässt sie in Härtefällen ganz - Stichwort Kostenübernahme.

Der Kulturreferent stellt klar: "Das ist, was ich unter sozialer Gerechtigkeit verstehe!"
 

Kommentar von Thorsten Stark

Dass die Stadt die Gebühren für ihre Kitas erneut erhöht, ist kein gutes Signal an all diejenigen, die für einen Kinderboom gesorgt haben, beziehungsweise an werdende Eltern. Fünf bis sechs Stunden Kinderkrippe pro Tag kosten jetzt schon 215 Euro im Monat, im Kindergarten zahlen sie für dieselbe Zeit 116 Euro, dazu kommen noch 3 Euro pro Tag fürs Essen. Das ist für Eltern, die keine Spitzenverdiener sind, viel Geld, zumal in der Stadt ja auch das Wohnen sehr teuer ist. Da hilft auch nicht der Verweis auf andere ähnlich große Städte wie Fürth oder Regensburg - wo zumindest die Krippenplätze deutlich teurer sind als hier: Selbst in der Domstadt arbeitet man an einer Senkung. Und im sonst so teuren München zahlen Eltern einkommensabhängig Gebühren, im Gespräch ist sogar die Abschaffung der Kitagebühren, ebenso wie in manchen anderen Bundesländern. Eine solcher Schritt im immer noch wohlhabenden Ingolstadt wäre ein gutes Signal.

 

Mittagessen wird teurer

Wie das Amt für Kinderbetreuung in dem am Montag verschickten Schreiben an die Elternbeiräte mitteilt, soll ab 1. September auch die Gebühr für die Mittagsverpflegung in den städtischen Kitas erhöht werden. Der Preis für ein Essen würde dann von 3 auf 3,50 Euro steigen. Die Stadt begründet das mit den „hohen Standards beim Kita-Essen, dem durchgehenden Bio-Anteil von über 60 Prozent, der Anstellung von Küchenkräften zur Entlastung des pädagogischen Personals“ sowie mit „der Verbesserung bei der Auf- und Zubereitung der Speisen“.

Ein Mittagessen für ein Kindergarten- oder Krippenkind koste die Stadt „durchschnittlich 4,70 Euro“. In diesem Betrag seien jedoch nur die Einkaufs- und Personalkosten sowie die Zukäufe von Frischkost (also Obst und Gemüse) enthalten, jedoch nicht die Betriebskosten (wie Strom oder Reinigung) oder die Investitionskosten in den Gebäuden. Die alles mitgerechnet, seien es sogar mehr als 4,70 Euro, die die Stadt pro Mittagsgericht aufwenden müsse. Die Erhöhung des Preises, den die Eltern zu bezahlen haben, diene der Verringerung des Defizits.