Arbeitswelt
Stadt saugt 65.000 Menschen an

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr
44 000 Mitarbeiter machen sich täglich auf den Weg zu Audi. Der Ausbau der Ortsumgehung Etting, Zuschüsse für den öffentlichen Nahverkehr, eine eigene Bahnstation, werksinterne Shuttle-Busse und mobile Arbeitszeitmodelle sollen die Verkehrssituation rund um das Werk entlasten. −Foto: Schalles

Mit der positiven Entwicklung der Automobilindustrie steigt die Zahl der Arbeitsplätze und der Pendler. Ingolstadt zieht vor allem Arbeitskräfte aus den benachbarten Landkreisen an.

Dünzlau am Morgen. Gerade noch hat in Nachbars Garten der Hahn gekräht, schon wälzt sich eine endlose Blechlawine durch das kleine Dorf. Es ist 7 Uhr. Dicht gedrängt sind die Pendler unterwegs. Alle wollen schnell zur Arbeit. Alle sind genervt vom alltäglichen Stau, der sich von Neuburg bis nach Ingolstadt quält. In der Rush-Hour kann aus den durchschnittlich 30 Minuten für die Strecke schnell die dreifache Zeit werden. Die B 16 ist voll. Also weichen die Pendler auf Nebenstraßen und Schleichwege aus. Doch nirgendwo ist ein schnelles Durchkommen.

9000 Menschen machen sich täglich aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen auf zur Arbeit nach Ingolstadt. Noch mehr (25 000) kommen aus dem Norden über die B 13 aus Eichstätt in die Stadt. Über die südliche Tangente reisen täglich 11 000 Beschäftigte allein aus dem Landkreis Pfaffenhofen an. Weitere 3000 kommen aus der Region Kelheim, 1200 aus Neumarkt in der Oberpfalz und fast 2000 aus der Landeshauptstadt.

126.000 Menschen sind?in Ingolstadt täglich unterwegs

Ingolstadt saugt Arbeitskräfte auf. 65 000 Menschen, die in einem anderen Kreis wohnen, machen sich Tag für Tag hierher zur Arbeit auf, weitere 41 000 fahren innerhalb der Stadt in den Job, 20 000 wiederum pendeln in andere Städte aus: So sind täglich 126 000 Menschen auf dem Weg in die Arbeit oder nach Hause. Dabei bilden die Zahlen der Agentur für Arbeit nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ab. Die Beamten, Selbstständigen, Minijobber, Studenten oder Schüler, die in Ingolstadt arbeiten oder lernen, sind in dieser Statistik gar nicht erfasst.

Ingolstadt liegt mit der Zahl der Einpendler nicht an der Spitze der bayerischen Städte. Nach München fahren täglich 176 000 Menschen zur Arbeit, nach Nürnberg 162 000. In keiner anderen Stadt Bayerns aber ist das Verhältnis zwischen Einpendlern und Einwohnerzahl so gravierend wie in Ingolstadt. Auf 100 Einwohner kommen hier 49 Einpendler. Zum Vergleich: In München sind es 11 Einpendler pro 100 Einwohner, in Nürnberg 32. Betrachtet man die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Ingolstadt (104 000) haben die Einpendler hier einen Anteil von mehr als 61 Prozent, in Nürnberg von 53 Prozent und in München von 45 Prozent.

In den benachbarten Landkreisen, aus denen Ingolstadt seine Arbeitskräfte zieht, pendelt die Mehrheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus. In Eichstätt sind es 63 Prozent, in Pfaffenhofen 61 Prozent und in Neuburg-Schrobenhausen 51 Prozent der Arbeitnehmer.

In den vergangenen zehn Jahren ist das Pendlervolumen aufgrund der positiven Entwicklung der Automobilindustrie mit der Audi AG und ihren Zulieferern angestiegen. So ist allein die Zahl der Audi-Mitarbeiter am Standort Ingolstadt von rund 32 000 auf aktuell 44 000 gewachsen. 35 000 von ihnen wohnen innerhalb der Region 10 – davon jeweils rund 13 500 in Ingolstadt und im Landkreis Eichstätt sowie jeweils circa 4000 Mitarbeiter in den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen. „Als größter Arbeitgeber in der Region unterstützen wir unsere Mitarbeiter natürlich dabei, mobil zu sein und den Standort Ingolstadt bestmöglich erreichen zu können“, betont Michaela Schnellhardt, Pressesprecherin Personal und Organisation der Audi AG. So gibt es Zuschüsse für den öffentlichen Personennahverkehr. „Unsere Mitarbeiter können mehrere INVG-Haltestellen direkt auf dem Werksgelände nutzen. Und am 19. März erfolgt der erste Spatenstich für den Bahnhalt Ingolstadt-Audi direkt am Werksgelände, der die Anfahrt weiter erleichtern und die Verkehrssituation maßgeblich entspannen wird.“

Zudem wurde das Netz von werksinternen Shuttle-Bussen weiter ausgeweitet: Seit zwei Jahren fahren sie den Flughafen Manching an. Auch eine Linie nach Münchsmünster wurde gestartet. „Zusätzlich wollen wir durch flexible Arbeitszeitmodelle wie mobiles Arbeiten mehr Freiheiten für pendelnde Mitarbeiter schaffen und gleichzeitig die Verkehrssituation in der Region entlasten“, sagt Schnellhardt.

Ingolstadt ist der einzige Ort in der Region mit einer positiven Pendlerbilanz. Von den hier lebenden 61 000 sozialversicherungspflichtigen Personen pendeln nur 32 Prozent aus. 20 000 Ingolstädter fahren ins Umfeld zur Arbeit, vor allem in die Nachbarkreise Eichstätt (6500) und Pfaffenhofen (3000) sowie nach München (ebenfalls 3000).

In der Region ist genau das Gegenteil der Fall. Alle Landkreise verzeichnen eine negative Pendlerbilanz. Im benachbarten Eichstätt beispielsweise liegt das Minus bei 17 000, in Pfaffenhofen bei 14 000, in Aichach-Friedberg bei 19 000 und in Dachau bei 17 000 Arbeitskräften. In diesen Landkreisen pendeln mehr als 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zur Arbeit in einen anderen Kreis. Doch wohin? Die Eichstätter natürlich vor allem nach Ingolstadt. Die Pfaffenhofener an die Schanz und nach München (10 000), Eichstätt (2000) oder Freising (2000). Im südlichen Bereich der Region 10 zieht vor allem München Arbeitskräfte an. So arbeiten von den 67 000 im Kreis Dachau wohnenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten allein 33 000 in München. Auch die Aichacher arbeiten in der Landeshauptstadt (6000) – vor allen Dingen aber in Augsburg (18 000).

Auch Regensburg und Nürnberg ziehen Arbeitskräfte an

Wie sieht es im östlichen Bereich der Region aus? Eine Hälfte der Bewohner des Kreises Kelheim arbeitet daheim, die andere pendelt in die naheliegenden Großstädte. Die meiste Arbeit gibt es in Regensburg. Dorthin machen sich täglich 10 000 Menschen auf den Weg. Aber auch Ingolstadt (3000), Pfaffenhofen (2200), München (2500) und Landshut (1600) ziehen Beschäftigte an.

Während in den meisten Kreisen mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer auspendelt, sind 78 Prozent der Ingolstädter Berufstätigen in ihrer Stadt tätig. Ähnlich sieht es in Neumarkt aus. 65 Prozent der 56 000 Beschäftigen arbeiten im eigenen Landkreis. Nur 19 600 pendeln aus, davon beispielsweise 7600 nach Nürnberg, 1700 nach Regensburg und 1500 nach Roth. Nürnberg (14 000) und Schwabach (4500) ziehen zahlreiche Fachleute aus dem Kreis Roth an. Dagegen kommen aus dem Norden nur 900 Beschäftigte nach Ingolstadt. Noch weniger sind es aus den südlichen Landkreisen Aichach-Friedberg (500) und Dachau (0).