Der
Stadion mit Dach und WC

07.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:03 Uhr

Der neue Luxus kannte keine Grenzen. Es gab sogar Kabinen für die Schiedsrichter! Dazu 14 Umkleideräume für die Spieler und „eine richtige Sitztribüne, von der die Mitglieder und die Leitung des ESV sicher schon lange geträumt haben“, wie der Verein mitteilen ließ, als er 1967 für 250 000 Mark (selbst finanziert) in Ringsee seine neue Heimstatt baute.

Eine hochmoderne Fußballwelt, die keine Wünsche offenließ. „Auch für die Zuschauer sind Aborte vorgesehen“, kündigte der ESV an. So was Tolles hatte man bis dato in Ingolstadt nicht gekannt. Mit dem ersten Anpfiff am 20. August 1967 begann eine neue Zeit. „Spätestens von diesem Datum an wäre es eine Untertreibung, wie bisher einfach nur vom ESV-Platz zu sprechen“, berichtete der DK. „Die Anlage kann sich künftig mit Fug und Recht ,Stadion’ nennen.“

Es war das erste in Ingolstadt, das den Namen verdiente. Hans Hellmerich, Vorstandsmitglied des ESV, wies stolz auf „die eindrucksvollen Ausmaße der Tribüne“ hin: 50 Meter lang, 20 Meter tief, Firsthöhe neun Meter, Fassungsvermögen 1800 Zuschauer, davon 1000 Plätze mit Dach. Da werden sie neidisch geschaut haben, die lilaweißen Widersacher vom MTV, die ein derart schmuckes Stadion nicht hatten und auch nie bekamen.

Die moderne Zeit, die in den Sechzigern auch im Fußball anbrach, fand vielfältig Ausdruck. Der DFB und lokale Bürokraten begannen plötzlich, mit Regularien zu nerven. Vor dem Eröffnungsspiel teilte der Verein im schönsten Behördenjargon mit: „Ab der neuen Saison werden im ESV-Stadion an den Zuschauereingängen amtliche Kontrollorgane in Tätigkeit treten.“ Man rate daher den „Wettspielbesuchern, die Anspruch auf ermäßigten Eintritt haben, entsprechende Ausweise vorzulegen, weil sie sonst von den Kontrollorganen zurückgewiesen werden“. Andere Bayernligavereine würden so was längst machen, argumentierte der ESV. Und dahinter wolle man ja nun wirklich nicht zurückstehen.

Der Verein spielte auf dem Feld der Moderne variabel nach vorn. Das Vorstandsmitglied Friedrich Hohenester heckte die Idee aus, sogenannte Dauerkarten anzubieten – ein Novum. Eine kostete 60 Mark für Mitglieder, 80 Mark für Nichtmitglieder. Er hoffte, „etwa 500 bis 600 Abonnements an den Mann zu bringen“. Ein Tribünenplatz kostete 1967 regulär fünf Mark.

Der ESV sah der neuen Ära mit dem Wunsch entgegen, dass „das Vorhaben gelingt“. Man war für alles offen, auch für Olympische Spiele. „Vielleicht ist es gar nicht abwegig“, hieß es 1967, „dass bei der Münchner Olympiade Ingolstadt doch noch berücksichtigt wird.“ Und so kam es: 1972 wurden im ESV-Stadion fünf Spiele des olympischen Fußballturniers ausgetragen.

Im Jahr 2004 fusionierten die seit Jahrzehnten durch untere Ligen kickenden Fußballer des ESV und des MTV zum FC Ingolstadt 04. Der neue Verein arbeitete sich binnen vier Jahren in die Zweite Bundesliga hinauf. Um die Auflagen des DFB zu erfüllen, wurde das ESV-Stadion so gut es ging aufgemöbelt, samt VIP-Hütte. Dann war die Ära der Provisorien vorbei. 2010 feierten die Schanzer Fußballfans mit einem sehenswerten Fest die – termingenaue! – Einweihung des 25 Millionen Euro teuren Audi-Sportparks auf dem Gelände der einstigen Eriag-Raffinerie; wieder eine neue Fußballwelt, die keine Wünsche offen lässt. sic