Ingolstadt
Spritpreise auf Achterbahnfahrt

24.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:55 Uhr

Preiskampf: Wenn die Kraftstoffpreise von einer Tankstelle nach oben oder unten geändert werden, ziehen die Wettbewerber nach – und zwar mehrmals täglich. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Vor den Tankstellen im Stadtgebiet hat sich wohl so mancher Ingolstädter in den vergangenen Wochen verwundert die Augen gerieben: Teils in Zehn-Cent-Sprüngen stiegen und fielen die Kraftstoffpreise von Tag zu Tag.

Superbenzin kostet 1,35 Euro pro Liter am einen Tag, 1,47 am nächsten. Diesel erst 1,27 Euro und Stunden später nur noch 1,17 – nur um tags darauf wieder auf den ursprünglichen Preis zu steigen.

Gerlinde Weigl, Chefin der gleichnamigen freien Tankstelle an der Haunwöhrer Straße, kann sich die Schwankungen nicht erklären. "Das ist zum Schreien", klagt sie. "Die Preise gehen in der Früh rauf und abends runter." Acht bis zehn Cent machen ihren Beobachtungen nach die Sprünge aus.

Eine Erklärung für dieses Phänomen hat eine Sprecherin von Shell Deutschland, Cornelia Wolber, parat. "Man muss sich den deutschen Tankstellenmarkt wie einen Flickenteppich vorstellen", erklärt sie. Die Märkte seien stark begrenzt, sei es das Stadtgebiet Ingolstadt oder im Extremfall nur eine einzelne Kreuzung. Der eigentliche Benzinpreis werde von den Beschaffungsmärkten, also den Preisen für Rohöl und verarbeitete Kraftstoffe, bestimmt.

"Die unterschiedlichen Anbieter beobachten sich aber sehr genau", sagt Wolber. Konkret würden Tankstellenpächter und -betreiber mehrmals täglich die Preise der umliegenden Konkurrenz kontrollieren – zu Fuß, per Fahrrad oder Auto – und Preisunterschiede sofort an ihren jeweiligen Mineralölkonzern melden, der dann für den regionalen Markt die Preise anpasse. Darauf würden dann wiederum die Wettbewerber reagieren. Kurz: Der morgendliche Startpreis wird über den Tag mehrmals nach unten korrigiert. Dieses Phänomen wird Preistrichter genannt.

"Solchen starken Preisschwankungen kann man sich nicht entziehen, sonst kommen keine Kunden mehr an die Tankstelle", sagt Aral-Sprecher Detlef Brandenburg. Irgendwann ist aber ein Preis erreicht, "mit dem man nicht mehr wirtschaftlich verkaufen kann." Dann drehe sich das Phänomen um: die erste Tankstelle erhöhe ihre Preise, die Wettbewerber folgen Schritt für Schritt – bis der Ausgangspreis wieder erreicht ist oder der erste Wettbewerber wieder senkt.

Je stärker der Wettbewerb im Stadtgebiet, desto stärker wirkt sich der Preistrichter aus, so Wolber. Ein Grund für den hohen Wettbewerbsdruck ist laut Brandenburg die hohe Dichte an Tankstellen, da der Benzinmarkt zwar seit Jahren stagniere, die Zahl der Tankstellen aber kaum abnehme. "Und wenn der Kuchen immer kleiner wird, setzt der Preiswettbewerb ein." Ein anderer Grund seien die "preisaggressiven Wettbewerber", beispielsweise Supermarkttankstellen, die beim Benzinverkauf nicht auf gewinnbringende Preisspannen angewiesen seien.

Solange in Ingolstadt der Wettbewerbsdruck hoch ist, werden also auch die Preissprünge bleiben. "Das geht schon seit zwei Monaten so", sagt Tankstellenchefin Weigl – mal stärker, mal gemäßigter. Leidtragende sind ihrer Meinung nach die freien Tankstellen. "Wir müssen uns den Großen anpassen." Weil kleine Tankstellen bei Preistiefen teilweise viel zu billig verkaufen müssten, seien sie auch gezwungen, bei den Preisspitzen nachzuziehen.

Besonders deutlich sinken die Preise oft über die Wochenenden, wenn die Beschaffungsmärkte geschlossen sind. Aber auch das ist nicht garantiert, wie Wolber erklärt: "Einer, der es sich leisten kann, muss zuerst mit den Preisen nach unten gehen, damit die anderen folgen."