Eichstätt
"Sport und Turnen füllt Gräber und Urnen!"

Ottfried Fischer zündete auf der "Gutmann"-Bühne vor vollem Saal zahllose Pointen

08.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:41 Uhr

Zog in atemberaubender Geschwindigkeit vom Leder: Ottfried Fischer bei seinem Auftritt auf der "Gutmann"-Bühne in Eichstätt. - Foto: Buckl

Eichstätt (wbu) Von wegen "Jetzt noch langsamer"! Diesen Titel gab Ottfried Fischer seinem jüngsten Programm. Doch wer es am Sonntag erlebte, rieb sich sicher die Augen: Das Tempo der Pointen, welche das bayerische Kabarett-Schwerstgewicht auf sein Publikum im mit 120 Besuchern ausverkauften "Gutmann"-Saal abfeuerte, hat nichts an radikaler Rasanz verloren, das Stakkato an Stänkereien, gelegentlich in Stotterform und mit Neigung zum Nuscheln, ist unverändert und bestens bekannt.

Doch wer bei dieser Geschwindigkeit auch nur die Hälfte verstand, kam immer noch voll auf seine Kosten. Auf Tuba und mit Posaune begleitet wurde "Otti" von Leopold Gmelch, der nach seinen Auftritten mit den "Heimatlosen" und den "Tannöd"-Szenen hier kein Unbekannter ist.

Dass bei einem TV- und Kabarett-Star wie Fischer der Saal ausverkauft ist, sollte eine Selbstverständlichkeit sein - ist es in Eichstätt aber nicht: Bei seinem Gastspiel im letzten April waren nur halb so viele Plätze besetzt, weshalb es kein Problem war, wenn er nun manche Nummern nochmal bot - man hört sie gern ein zweites Mal von ihm vorgetragen.

"Aber warum tut er sich das noch an" Die Frage war in der Pause mehrfach von Besuchern zu hören: Warum stellt sich ein so großer Kabarettist auf eine so kleine Bühne, die er nur über eine enge Stiege entern kann, was ihm angesichts seiner höchstgradigen Adipositas immense Mühen bereitet? Warum mutet er sich zu, ungeniert derangiert gekleidet aufzutreten? Solche Publikums-Pausengespräche zeigen, dass in dem Applaus, den "Otti" reichlich erhält, auch ehrliches Mitleid mitschwingt - das er sicher nicht haben will -, ebenso große Bewunderung, die er uneingeschränkt verdient. Denn Fischer hat viel zu sagen als sehr scharfer Beobachter, der mit sensiblen Sinnen Stimmungen und Befindlichkeiten in der Bevölkerung registriert. Er lästert und spöttelt, appelliert und mahnt - etwa ein Herz zu haben für Geflüchtete, statt ihnen Zahnersatzkosten zu missgönnen.

Zum Auftakt des Abends gibt's Aktualitäten, indem Fischer sich über Trumps Tolle auslässt, über den SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz oder den SPD-Loser Florian Pronold. Dem Lokalkolorit ist es geschuldet, wenn er das Publikum als "katholische Kirchen-Kombattanten" begrüßt oder mit der seltenen Stilfigur des "Apokoinu" unrein reimt "Eich ... stätt des guat, dass ihr heit kommen seid!" Als Fischer daran erinnert, dass einstige Kabarettkollegen verurteilt wurden, weil sie in einer Kirchenparodie mit der Klobürste statt dem Aspergill Weihwasser verspritzten, zitiert er weitere Eichstätter Historie. Die Anspielung erinnert an den 4. Mai 1981: Damals wurde dem studentischen Kulturreferat kurzfristig ein Auftritt von Sol de Sullys Gruppe "Blackout" in Uni-Räumen verboten, weil das Programm "Und bewahre uns vor der Erlösung" als Beleidigung der Kirche gesehen wurde - eine Demo vor dem Privathaus von Uni-Kanzler Jacob im Wiesengässchen war die Folge.

"Otti" spart nicht an Selbstironie und erzählt, dass er nach der Serie "Ein Bayer auf Rügen" schon als "Rüde aus Bayern" apostrophiert wurde oder oft als "Ochse von Tölz" tituliert wird; seinerseits verballhornt er den Paderborner Ex-Bischof als "Kebap von Elst" und lädt zur "Happy Aua" ins Sado-Maso-Studio. Er parodiert perfekt Strauß und Papst Benedikt, er vergleicht jüdischen Witz mit bayrischem Humor oder verquickt Christentum mit Islam, wenn er Altötting als "Bayerns Mekka" sieht - dort stehe nämlich die "Gnaden-Kaaba". Die Wirtshäuser bei Dorfkirchen seien auch immer geostet: "Damit man weiß, wie man heimkommt!"

Dazwischen gibt es kurze "Ottis Frühsport"-Spots auf der Leinwand, worunter schon Motorik mit den Wimpern zählt. Ansonsten reimt er über Bewegung: "Sport und Turnen - füllt Gräber und Urnen!" Die Rezitation von "Ruby Tuesday" von den Rolling Stones und Erinnerungen an Uschi, die erste Liebe, stimmen besinnlich. Und Anekdoten wie die von der Lissaboner Begegnung im Flugzeug mit dem alten jüdischen Ehepaar, wobei die mit teuren Klunkern behängte keifende Gattin pausenlos ihren Mann beschimpft, bis dieser sie später, als sie eingeschlafen ist, auf Deutsch mit dem Wunsch verflucht, dass "die grässliche alte Hex doch bald der Teifl holn mechd" lassen die Lacher gefrieren ... Ein großer Abend in den Eichstätter Kabaretttagen!