\tPfaffenhofen
Spirale des Verderbens

Vortrag von Lorenz Kettner mündet in Plädoyer für die Demokratie

10.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:19 Uhr

\tPfaffenhofen (PK) So stellt man sich eine gelungene Geschichtsstunde vor: Keine monotone und oft ermüdende Aneinanderreihung von Daten und Fakten, sondern der Versuch, Ursachen zu ergründen, verborgenen Triebkräften nachzuspüren, Kausalzusammenhänge sichtbar werden zu lassen. Lorenz Kettner ist dies vergangenen Freitag mit seinem Referat „Deutschlands Weg in die Katastrophe von 1945“ im gut gefüllten Festsaal des Rathauses vortrefflich geglückt.

Am Ende stand folgende Erkenntnis: Immer wenn sich Deutschland von seinen europäischen Nachbarn abzusetzen versuchte, wenn die Freiheit des Individuums hinter geballter Staatsmacht zurückzustehen hatte, geriet die Nation in eine Spirale des Verderbens.

Der Referent schlug dabei einen Bogen vom 30-jährigen Krieg bis zur Wiedervereinigung. Charlotte Weber las, angenehm zurückhaltend, ausgewählte Texte unter anderen von Immanuel Kant, Friedrich Rückert, Theodor Fontane, Stefan Zweig, Bertolt Brecht und Thomas Mann.

Die Ideen der Aufklärung hätten Deutschland, so Lorenz Kettner, erst spät erreicht. Nur ein Teil der geistigen Elite habe diese Ideen begeistert aufgenommen. Die Erkenntnis, dass der Staat für den Bürger und nicht der Bürger für den Staat da sei, sei in Frankreich verbreiteter gewesen. Frankreich sei weit vor Deutschland, das in über 300 Kleinstaaten zersplittert war, eine Nation gewesen. Deutschland sei zuerst Kulturnation und dann erst Staatsnation gewesen. Zudem sei gegen die Ideen der Aufklärung immer mehr polemisiert worden. So sei der Nährboden für einen mehr und mehr ausufernden Nationalismus gelegt worden. Zensur und Bespitzelung seien die Folge gewesen. Die Unterschiede deutsch-französischer Mentalitäten reduzierte Kettner auf ein einprägsames Bild: „Der deutsche Michel mit der Zipfelhaube stand gegen die alle Barrikaden stürmende Marianne“.

Unter Wilhelm II. habe man geglaubt, die deutsche Kultur sei der westlichen Zivilisation überlegen. Die Ideen von 1914 seien gegen die Ideen von 1789 (Beginn der französischen Revolution) gestanden. So sei es zum „Kampf der Geister“ zwischen dem liberalen Westen und Deutschland gekommen. Die Weimarer Republik sei nicht kraftvoll genug gewesen, die tiefen sozialen Spannungen auszugleichen. So sei die Demokratie diffamiert worden. Großdeutsche Träume, schlimme antisemitische Hetze und abstoßender Führerkult seien entstanden. Leider hätten, so Kettner, auch die deutschen Universitäten vor der Macht des Pöbels kapituliert. Auch die Politiker des „Appeasement“ (Chamberlain, Daladier) seien Hitler zunächst auf den Leim gegangen. Lorenz Kettner: „Man kann den Nazis alles vorwerfen, aber nicht, dass sie uns nicht sagten, was sie vorhatten“. Reinhard Haiplik