Berlin
Spiel mit falschen Karten

CSU kritisiert Betreiber der umstrittenen Gleichstromtrasse – Mit Halbwahrheiten an Genehmigung gelangt?

12.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:05 Uhr

Berlin/Ingolstadt (DK) Kaum ein Thema elektrisiert die Menschen in Bayern derzeit mehr als die geplante Gleichstromtrasse von Sachsen-Anhalt nach Meitingen im Augsburger Raum. Gestern versuchte der Netzbetreiber Amprion, der CSU-Landesgruppe im Bundestag Antworten auf viele offene Fragen zu geben. Aber die Erklärungen fielen nicht wirklich befriedigend aus, sagt einer, der mit dabei war. Der Ingolstädter CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl fühlt sich von dem Unternehmen getäuscht. „Als das Projekt beantragt wurde, hatte es geheißen, man wolle Strom aus erneuerbaren Energien nach Bayern leiten. Von den Braunkohlekraftwerken, die da auf einmal angeschlossen werden sollen, war überhaupt nicht die Rede“, zeigt der Bundespolitiker sich verärgert.

Brandl hatte schon vorige Woche an der Informationsveranstaltung des Unternehmens für Bürgermeister und Landräte in Donauwörth teilgenommen. Noch immer reagiert er überaus wütend, wenn er nur daran denkt: „Ich war fassungslos, mit welcher Arroganz Amprion das Ganze vorgetragen hat“, sagt er. „Die Trassenstrecke geht ohne jede Rücksichtnahme quer durch den Naturpark Altmühltal und das Urdonautal. Ich empfinde es als unverschämt, wie hier scheinbar vollendete Tatsachen präsentiert worden sind. Der Netzausbau ist Bestandteil der Energiewende, aber das heißt nicht, dass wir auch jede Trasse akzeptieren müssen. Der Bürgerprotest ist deshalb richtig und gerechtfertigt.“

Der Netzbetreiber hatte den Streckenverlauf der Stromleitungen im Auftrag der Bundesnetzagentur festgelegt, wobei die Planungen bisher nur vorläufig sind. Die Entscheidung über die endgültige Trasse steht noch aus. Während der Stromtransport in Deutschland und Europa normalerweise mit Wechselstrom erfolgt, soll hier die Gleichstromtechnik zum Einsatz kommen. Sie lässt sich besser steuern und dem tatsächlichen Bedarf anpassen, außerdem gilt sie als verlustarm, sprich es geht unterwegs wenig verloren. „Das ist gerade so, als würde das Kraftwerk in der Lausitz direkt in Gundremmingen stehen“, hebt Matthias Luther, Professor für Elektrische Energiesysteme an der Universität Erlangen, den Vorteil hervor.

Das rund 450 Kilometer lange Leitungsnetz auf 50 bis 70 Meter hohen Masten sei „ein wesentlicher Beitrag zur sicheren Stromversorgung in Bayern“, um den Strom der Windkraftanlagen im Osten und an der Küste Deutschlands in den Süden zu bringen, heißt es in einem Prospekt des Unternehmens. So hatte Amprion es auch in seinem Antrag für das Projekt formuliert, in drastischen Worten: „Ohne die Errichtung ... dieser Verbindung bestünden zunehmend Netzengpässe in Thüringen und Sachsen-Anhalt, als auch in Bayern. Dies hätte zur Folge, dass Windenergie- und Fotovoltaikanlagen zum Teil erheblichen Einspeiseeinschränkungen unterworfen wären.“ Das würde den Ausbau regenerativer Energieanlagen behindern. „Auf dieser Basis ist das Ganze von der Bundesnetzagentur genehmigt worden“, sagt Brandl. Tatsächlich solle die Leitung aber auch genutzt werden, um mit Braunkohle gewonnenen Strom zu transportieren. „In der Begründung kommt das Wort Braunkohle aber nicht einmal vor. Antworten zum Strommix, also wie viel umweltschädlicher Braunkohlestrom da durchlaufen soll, ist man uns bis heute schuldig geblieben“, kritisiert der Abgeordnete Brandl.

Die potenziell betroffenen Menschen im Land sind aufgebracht, wie es die Politik schon lange nicht mehr erlebt hat. Die Trasse soll unter anderem durch die Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Neumarkt und Roth führen. Bayerns Wirtschafts- und Energieministerin Ilse Aigner musste sich vergangene Woche auf dem Berchinger Rossmarkt gar als Wahlbetrügerin beschimpfen lassen, landauf und landab formieren sich Initiativen. Da ist die Rede von einer „Monstertrasse“ und gesundheitlichen Risiken, die Amprion-Vertreter sahen sich mit „Mörder, Mörder“-Rufen konfrontiert. Und immer wieder kommt die Forderung nach einer Erdverlegung der Kabel.

Eine unterirdische Leitung ist nach den derzeitigen gesetzlichen Vorgaben jedoch gar nicht möglich. Darauf pocht der Netzbetreiber gebetsmühlenartig, hat es aber während der jüngsten Bürgerinformationen versäumt, dies für alle verständlich näher darzulegen. Wie Amprion es auch nicht für nötig befand, zu den befürchteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Elektrosmog befriedigende Erklärungen abzugeben.

Dabei wäre das für die Trassenplaner unter dem Strich nicht unbedingt negativ gewesen, auch wenn die Meinungen dazu konträr sind. „Es gibt eine große Anzahl von Studien über die Auswirkungen magnetischer Felder auf den menschlichen Organismus“, sagt Matthias Luther von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. „Aber bisher haben wir keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass diese Technik wirklich krank macht.“ Der Professor hält Gleichstromleitungen, wie die geplante, und Wechselstromtrassen, wie bisher üblich, für unbedenklich. Wer im Bad stehe und sich die Haare föhne, setze sich weit mehr Strahlung aus als neben einer Freileitung, stellt er fest. Wobei er nicht in Abrede stellt, dass es sensible Menschen gibt, die schon auf die 50-Kilohertz-Frequenz des Hausstromnetzes empfindlich reagieren. „Das darf man nicht einfach so abtun.“

Was eine mögliche Erdverkabelung angeht, sieht Luther zwei mögliche Argumente: Die Kosten könnten zehnmal so hoch sein wie bei oberirdischen Leitungen, außerdem gebe es keine Erfahrungen mit 500-Kilovolt-Erdkabeln. „Das Problem könnte die Isolierung sein, die ist nur bis 350 Kilovolt erprobt“, sagt Luther. Andererseits gehe die Entwicklung weiter. „Der Bau der Leitung ist erst in einigen Jahren geplant, bis dahin tut sich technisch bestimmt noch etwas.“