Ingolstadt/Eichstätt
Sparkassenchef äußert sich zu den Filialschließungen

Auslöser für Veränderungen laut Jürgen Wittmann Kostendruck und Regulatorik

02.12.2020 | Stand 23.09.2023, 15:47 Uhr
Die Filiale in der Gaimersheimer Straße (Bild) soll nach den Plänen der Sparkasse auch die Kunden der Zweigstelle in der Ettinger Straße aufnehmen. −Foto: Eberl

Ingolstadt/Eichstätt - Als eine pure Reaktion auf aktuelle Entwicklungen will Vorstandsvorsitzender Jürgen Wittmann die Schließung der neun Sparkassen-Filialen im Geschäftsgebiet nicht sehen. Vielmehr seien der immense Kostendruck und ein verändertes Kundenverhalten Auslöser für die Überlegungen zum Umbau der Bank-Strukturen.

„Machen wir uns nichts vor: Das ist nicht nur ein Ingolstädter Thema“, sagte Vorstandsvorsitzender Jürgen Wittmann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir müssen reagieren, um uns zukunftsträchtig aufstellen zu können und unseren Mitarbeitern den Arbeitsplatz  zu sichern.“ Wittmann zufolge hätten die jüngsten Analysen im Haus gezeigt, dass die Zahl der Online-Transaktionen, der  bargeldlose Zahlverkehr sowie die Anrufe im Kundenservicecenter „stark“ zunehmen.  Umgekehrt  verlieren die Filialen  an Kundenfrequenz. „Diesen Fakten kann und darf sich eine Sparkasse nicht verschließen, sondern muss handeln.“   Dazu komme der Kostendruck durch die Zinspolitik der EZB sowie die Regulatorik, die den Banken zahlreiche zusätzliche Hausaufgaben und Kosten bescheren. 

Mehrfach betont Wittmann, dass man die Filialen nicht schließen, sondern lediglich den Leistungsumfang  ändern werde – hin zu Selbstbedienung.  Die Bank werde „mit allen 47 Standorten vor Ort in der Fläche präsent bleibt“. Dafür sei allerdings auch eine „kostenseitig angemessene Filialstruktur notwendig“. 
Dass das nicht überall gut ankommt, zeigen die Reaktionen im Netz auf die DK-Nachricht, dass die Geschäftsstellen in neun Gemeinden künftig nur noch für Selbstbedienung ausgerichtet sind. „Auch gerade für ältere Menschen und Jugendliche die noch kein Auto haben blöd“, schreibt eine Kommentatorin.  Eine andere Nutzerin ergänzt in Bezug auf Senioren: „Trotz Handy und Laptop holen sie Kontoauszüge und Geld vor Ort und geben ihre Überweisung ab. Haben nicht zuletzt auch ihr Schließfach dort.“ Ähnlich kommentieren auch betroffene Bürgermeister die angekündigten Schließungen. 

Klar sei eine sinkende Frequenz zu beobachten gewesen, erklärt Hitzhofens Bürgermeister Roland Sammüller (SPD). Die Leidtragenden seien aber die älteren Menschen: „Ich denke da auch an meinen Vater, der sein Geld immer noch von der Bank holt und die Überweisungen per Hand erledigt.“  Neben dem zu erwartenden Leerstand  falle auch die Gewerbesteuer für seine Gemeinde weg.

Hart ins Gericht mit dem Entscheidungsweg der Sparkasse geht der Bürgermeister von Baar-Ebenhausen, Ludwig Wayand: „Vor der Entscheidung nicht einmal die betroffenen Bürgermeister ins Haus holen und nach ihrer Meinung fragen“, das sei kein guter Weg. Seiner Gemeinde, die sich positiv entwickle, fehle nun ein wichtiger Faktor. „Für meine Bürger ist mir der Weg über die Brücke nach Reichertshofen zu weit“, konstatiert Wayand. 

Die Stammhamer Bürgermeisterin Maria Weber (CSU) spricht von einem „traurigen Tag“ für die Gemeinde. Man brauche sich das nicht schön reden: „Für die Entwicklung des Ortes ist das nicht positiv.“ Stammham hatte erst zu Jahresbeginn die gegenüber der Sparkassenfiliale gelegene Apotheke verloren. „Ich habe meine Zweifel geäußert und dargelegt, dass man die älteren Leute nicht vergessen darf“, berichtet Weber aus ihrem Gespräch mit Sparkassen-Vorstandsmitglied Karlheinz Schlamp, als dieser sie über die bevorstehende Schließung informiert hatte.

Die Entscheidungen seien gefallen, dagegen könne sie nun nicht mehr opponieren. Auf der Facebook-Seite der Gemeinde spricht Weber von „vollendeten Tatsachen“. 
Amtskollege Benedikt Bauer (SPD) aus Buxheim, bedauert, dass „ein Stück Leben und auch Tradition in der Gemeinde verlorengeht“. Aus wirtschaftlicher Sicht könne er die Sparkassen-Verantwortlichen allerdings „fast verstehen“: Wenn ein Kunde nur zweimal im Jahr die Zweigstelle besucht, „ist der Schritt irgendwie nachvollziehbar“ – auch unter dem Aspekt, dass im nicht zu weit von ihm entfernten Eitensheim neu gebaut werde und die Geschäftstätigkeiten sich dorthin konzentrierten. Bedauerlich für Buxheim sei es dennoch: „Schließlich hat es hier immer schon eine Sparkasse gegeben.“

Am Ende des nun anlaufenden Prozesses wolle man an 28 Standorten Geschäftsstellen mit persönlichem Service sowie an 19 weiteren Selbstbedienungs-Terminals vorhalten. Außerdem arbeite man daran, neben dem bestehenden Kundenservicecenter eine digitale Beratung aufzubauen – für Video und Chat. 
Baar-Ebenhausens Rathauschef Wayand will die gesamte Entwicklung nicht so stehen lassen und nicht klein beigeben:  Er wolle „mehr rausholen als nur einen Geldautomaten“ – wohlwissend, dass dieser Kampf schwierig sein könnte. Aber: „Ich habe noch nie beim ersten Kampfgang aufgegeben“, sagt der ausgebildete Luftwaffenpilot. DK

Kurzinterview

Herr Wittmann, der Beschluss zu den Filialschließungen ist fix; da gibt es nichts mehr zu rütteln?

Jürgen Wittmann:  Das ist alles beschlossen. Vorangegangen ist eine lange Phase der Analyse, insgesamt zog sich die Überprüfung der Geschäftsstellenstruktur über eineinhalb Jahre hin. Anschließend wurde alles in den Gremien beraten, es gibt einen Verwaltungsratsbeschluss.  Es wurden der Kreistag und der Ingolstädter Stadtrat informiert, inhäusig der Personalrat und am Mittwoch schließlich alle Mitarbeiter. 

Was passiert mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der betroffenen Filialen?

Wittmann: Bei uns gab es noch nie betriebsbedingte Kündigungen, die gibt es diesmal nicht –  und die wird es auch nie geben. Jeder Kunde behält seinen Berater, beide ziehen gemeinsam  in die nächstgelegene Filiale um. Wir brauchen für eine bestmögliche Beratung verschiedene Spezialisierungen; das kann ich in einer Kleinstfiliale nicht bieten. Und ich kann in einer Filiale mit 20 Mitarbeitern Krankheitsfälle besser auffangen als in einer Filiale mit zwei Mitarbeitern.

Langfristig wird es aller Voraussicht nach doch zu einem Personalabbau kommen?

Wittmann:  Natürlich. Wir bauen sicher weiterhin je nach Bedarf über die natürliche Fluktuation Personal  ab. Das läuft bereits seit der Fusion. Wobei wir inzwischen bereits sogar wieder extern ausschreiben müssen, um an Fachkräfte zu kommen.

Rechnen Sie mit Kunden, die die Sparkasse nun verlassen?

Wittmann: Nein. Wir haben ja in den zurückliegenden zehn Jahren schon einige Standorte zusammengelegt; da zeigt die Erfahrung, dass wir so gut wie keine Kunden verloren haben. 

Auch die Bilanz der Fusion Ingolstadt-Eichstätt fällt in Ihren Augen positiv aus?

Wittmann: Sehr positiv. Je größer das Haus, desto effizienter und effektiver lassen sich einzelne Bereiche steuern. Und das schlägt sich auch im Ergebnis nieder. 

Es gab aber Mitarbeiter, die nicht glücklich darüber waren, plötzlich vom Süden Ingolstadts nach Eichstätt fahren zu müssen oder umgekehrt.

Wittmann: Natürlich haben wir die Tätigkeitsbereiche zusammengezogen – beispielsweise das Controlling nach Ingolstadt oder das Kreditwesen nach Eichstätt. Die betroffenen Mitarbeiter bekamen zwei Jahre das Fahrtgeld erstattet – mit der Aufgabe, sich zu entscheiden, ob sie ihre Aufgabe behalten und weiter pendeln wollen, oder ob sie sich eine andere Aufgabe im Unternehmen in Heimatnähe suchen wollen. Ich denke, das war ein faires Angebot und hat gut funktioniert.

Angeblich gibt es im Moment unter der Belegschaft auch Gegrummel, weil nicht so  viele Leute im Homeoffice arbeiten können, wie gerne würden.

Wittmann: Wir in der Sparkasse haben sehr viel mit extrem heiklen Kundendaten zu tun haben. Das Bankgeheimnis ist gesetzlich fixiert. Also muss es für Homeoffice einen Arbeitsplatz geben, wo die Daten sicher sind und keine anderen Familienmitglieder mal ein wenig über die Schulter schauen. Außerdem müssen wir auch schauen, dass es nicht zu einer Schieflage kommt –  Schalterkräfte können wir ja nicht ins Homeoffice schicken. Dennoch gibt es Fälle, bei denen Leute im Homeoffice arbeiten. Aber da wir in diesen Fällen aus Datenschutzgründen Computer und Drucker zur Verfügung stellen, wollen wir auch nicht, das die betreffenden Personen mal im Homeoffice arbeiten und mal nicht. Entweder – oder. 

Das Interview führte Markus Schwarz.

Kommentar

Geld abheben bei Aldi, Aktien kaufen beim Online-Broker, Kreditangebote im Internet suchen – der Satz, den sich Banker seit Jahren schaudernd zuraunen, wird immer wahrer: „Banking is necessary, banks are not – Bankgeschäfte sind notwendig, Banken nicht.“ Dass in diesem Umfeld jeder Ort mit einer schmucken Sparkasse (oder Genossenschaftsbankfiliale) aufwartet, kann man nicht mehr verlangen. So schmerzhaft es für manche, vor allem ältere Leute sein mag: Der Schnitt, den die Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt vollzieht, ist ein moderater und behutsamer.

Wichtiger als der Erhalt jeder Mini-Filiale ist der Erhalt des typischen deutschen Systems der Sparkassen und Genossenschaftsbanken in seiner Gesamtheit. Als Geldgeber des Mittelstandes und als regional, auch sozial in der Verantwortung stehende Antipoden zum turbo-globalisierten Finanzwesen kommt den Sparkassen (und Genossenschaftsbanken) ein unschätzbarer Wert zu. Gerade deshalb sollte  eine Sparkasse auch penibel und als mehr als „gewöhnliche“ Unternehmen darauf achten, wie umsichtig  sie in der Kommunikation mit Mitarbeitern, mit Kunden, mit der Politik und mit der Öffentlichkeit agiert.

Markus Schwarz

Marco Schneider, Jürgen Knopp