Pfaffenhofen
"Spaltung des Landes ist besiegelt"

Osteuropaexperte Reinhard Lauterbach referiert zur aktuellen Lage in der Ukraine

06.11.2014 | Stand 02.12.2020, 22:01 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Einen informativen Vortrag über die aktuelle politische Entwicklung in der Ukraine hat der Historiker, Slawist und Osteuropakorrespondent Reinhard Lauterbach bei den „Freunden von Valjevo“ im Hofbergsaal gehalten. Die ukrainischen Parlamentswahlen Ende Oktober haben nach Aussage von Lauterbach zu einem weiteren Rechtsruck in Kiew geführt.

Die „Volksfront“ des amtierenden Ministerpräsidenten Jazenjuk habe mit scharfen antirussischen Tönen eine Fortsetzung der militärischen Operationen zur Rückeroberung der abtrünnigen Regionen in Donbass gefordert und das Wahlbündnis um Poroschenko überflügelt. Auf ihrer Liste hatten laut Lauterbach eine Reihe von Milizenführern kandidiert. Neben der „Volksfront“ hätten weitere nationalistische, antirussische Parteien den Sprung ins Parlament geschafft. Die darauf folgenden separaten Wahlen in den Regionen Donezk und Lugansk hätten bei hoher Wahlbeteiligung eine Bestätigung der dortigen Führer erbracht. Damit sei, so Lauterbach, die Spaltung des Landes besiegelt. Die gescheiterte militärische „Strafexpedition“ der Kiewer Regierung zur Rückeroberung dieser Regionen in den Sommermonaten habe zur Zerstörung große Teile der Industrie, Infrastruktur und ganzer Städte im Donbass geführt. Tausende Menschen seien ums Leben gekommen, eine Million zu Flüchtlingen geworden. Dies erkläre, weshalb die dortige, sich mit Russland sprachlich, kulturell und wirtschaftlich verbunden fühlende Bevölkerung auf keinen Fall mehr von Kiew regiert werden möchte, so der Osteuropakenner. Die Maidanproteste im Frühjahr 2014 hatten bekanntlich zum Sturz der alten ukrainischen Regierung Janukowitsch geführt. Sie hätten soziale Ursachen gehabt, erklärte Lauterbach: das Land sei völlig verarmt, Millionen Ukrainer gezwungen, als Gastarbeiter zu Niedriglöhnen in den Nachbarstaaten zu arbeiten, aller Reichtum und Macht sei in den Händen weniger Oligarchen konzentriert. Im Ergebnis sei es in Kiew aber nur zu einem Austausch unter den Oligarchen gekommen. Dies werde an dem neuen Präsidenten, dem Milliardär Poroschenko, deutlich. Der wirtschaftliche Niedergang habe sich verschärft. Allerdings hätten die EU und die USA das Land in ihren Einflussbereich ziehen können. Die USA seien der Gewinner: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen EU und Russland sei nachhaltig gestört. Die USA können ihre militärische Präsenz an Russlands Grenzen und ihre Kontrolle über Europa verstärken. Russland dagegen sei mit Hunderttausenden Flüchtlingen aus der Ukraine und gewaltigen Kosten für den Wiederaufbau der abgespaltenen Regionen Donezk und Lugansk konfrontiert. Ein verschärftes Wettrüsten und eine für alle gefährliche Konfrontation zeichne sich ab. Bernd Duschner, der Vorsitzende des Vereins Freundschaft mit Valjevo forderte deshalb, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufzuheben und auf eine Einbeziehung der Ukraine in EU und NATO zu verzichten. Nur über eine Verständigung mit Russland könne der Konflikt entschärft und weiteres Blutvergießen verhindert werden.