Neuburg
Sozialkritisch und sentimental-romantisch

Bardomaniacs überzeugen bei Konzert im Schlösschen Hesselohe

24.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:30 Uhr
Andreas Kohlmann am Schlagzeug, Cornelia Ottinger am Baritonsaxofon und Bardomaniacs-Chef Henning Bardo begeisterten ihr Publikum im Schlösschen Hesselohe so sehr, dass es sich gleich zwei Zugaben erklatschte. −Foto: Hammerl

Hesselohe (DK) Einen furiosen Auftakt legen die Bardomaniacs mit einem Medley aus "Hava Nagila", "Bei mir bist du schee" und "Bella Ciao" hin, und schon ist das Publikum mitten drin in der Musikwelt der 1930er-Jahre.

Einige Hits aus der ein wenig im Schatten der Goldenen Zwanziger stehenden Zeit sind bekannt - "Night and Day" von Cole Porter zum Beispiel oder "Liebling, mein Herz lässt dich grüßen". Das bieten Cornelia Ottinger und Andreas Kohlmann mit jeder Menge Schmalz dar, nachdem sie das Kommando "Umbau zur Filmszene" gegeben hat und sich dann beide, Saxofonistin und Schlagzeuger, in ein Pärchen à la Lilian Harvey und Willy Fritsch verwandelt haben. Für "Flieger, grüß mir die Sonne" des Filmkomponisten Allan Gray (Ben Hur) setzt Bardo Henning eine lederne Fliegerkappe aus dem Ersten Weltkrieg auf und die Fäuste schütteln alle drei, wenn sie Hanns Eislers Kampflied der Arbeiterbewegung "Roter Wedding" mit Verve und Inbrunst schmettern.

Der Konzertabend im Schlösschen Hesselohe erweist sich also als höchst kurzweilig und vielseitig: Mal jazzig mit dem "St. Louis Blues", mal fetzig mit dem temperamentvollen Revuelied "Die Juliska aus Budapest" aus Fred Raymonds Operette "Maske in Blau", dann melancholisch-sehnsüchtig für "Poema" oder augenzwinkernd, wenn Kohlmann für "Mein Gorilla hat 'ne Villa im Zoo" in die Rolle des Affen schlüpft. Gelegentlich schmuggelt das Trio Eigenkompositionen von Henning ins Programm ein, darunter "Rag 20", das er zum 1920 von Klabund geschriebenen Text komponierte, in dem es heißt "Europa ist am Ende, drum reicht euch nun die Hände zum Totentanz". Was nicht die Meinung des Musikertrios sei, wie er gleich betont, "wir hoffen, dass Europa nicht am Ende ist". Dagegen stimmt der Komponist dem von ihm vertonten Ringelnatz-Satz "Die Wahrheit schweigt" aus "Liedchen (Die Zeit vergeht)" zu: "Damit ist alles gesagt, das gibt es auch heute". Temporeich sein Instrumentalstück "Charles Ton", das bestens zum Stil jener Zeit passt. Jene Zeit der ausgehenden Weimarer Republik und Machtergreifung der Nationalsozialisten also, als die kulturelle Vielfalt ausgezehrt wurde, wie es im Programmheft heißt. Freche, sozialkritische Texte wichen sentimental-romantischen Tönen, die den Hörern halfen, für einen kurzen Moment dem grauen Alltag zu entfliehen. Operettenmusik wich den Schlagern des Tonfilms; bekannte Revue-, Operetten- und Schlagerkomponisten sowie Musiker und Sänger der 20er Jahre emigrierten, darunter auch drei der sechs Comedian Harmonists, die 1935 von den Nationalsozialisten als Judenbande beschimpft und aufgelöst wurden.

Interessant die Hintergrundinformationen, die - wohldosiert genau den richtigen Raum einnehmend - eingestreut werden und aufzeigen, wie leicht Musik zum Politikum werden kann - oder umgekehrt. Peter Kreuder, Komponist des Schlagers "Goodbye Johnny", sei durch die zahlreichen DDR-Olympiasiege darauf aufmerksam geworden, dass das Hauptthema der DDR-Hymne "Auferstanden aus Ruinen" große Ähnlichkeit mit seinem Schlager aufwies, worauf er die DDR verklagt habe, erzählt Henning.
Ein rundum gelungener Abend mit genau der richtigen Mischung aus eingängiger Musik, von den ausgezeichneten Musikern unter die Haut gehend interpretiert, hörens- und nachdenkenswerten Texten beziehungsweise Moderationen, spritziger Stepp-Einlage von Ottinger und komödiantischen Einlagen des Schlagzeugers.
 

Andrea Hammerl