München
Sonnenlicht und Eiseskälte

Die Hypo-Kunsthalle in München zeigt erstmals in Europa die unbekannten Impressionisten Kanadas

21.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:52 Uhr
  −Foto: NGC/MNBAQ

München (DK) Die Namen und Bildthemen der großen französischen Impressionisten sind weltweit bekannt: Claude Monet mit seinem Mohnfeld und den Seerosen, Edgar Degas Tänzerinnen und die Montmartre-Szenen von Pierre-Auguste Renoir.

Wer aber kennt die Mohnblumen von William Blair Bruce oder Helen McNicoll und ihre Frauen am Strand oder gar James Wilson Morrice, dessen "Quai des Grand-Augustins" 1904 im Pariser Salon ausgestellt und von der französischen Regierung erworben wurde? Sie gehören zu den kanadischen Impressionisten, von denen viele in Paris studierten, um danach das eigene Land "In einem neuen Licht" zu malen - so der Ausstellungstitel, mit dem die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung insgesamt 36 Künstlerinnen und Künstler erstmals in Europa vorstellt.

Kanada wurde 1867 aus britischen und ehemals französischen Kolonie-Gebieten gegründet. Wer damals malen wollte, fand im eigenen Land kaum Ausbildungsmöglichkeiten - deshalb reisten die angehenden Künstler nach Frankreich, um dort zu studieren - nicht nur an der Pariser Akademie, sondern auch an privaten Malschulen, die für Frauen offenstanden. Die ab 1860 sich bildende impressionistische Bewegung war in Frankreich zunächst nicht angesehen, vielmehr schlossen sich jene Maler, die vom offiziellen "Salon" abgelehnt wurden, ab 1874 zum "Salon der Abgewiesenen" zusammen. Der Vorwurf der Oberflächlichkeit an die Impressionisten führte dann dazu, diese Bezeichnung als "nom der guerre", als Kampf-Namen, zu führen. Sie wollten vor allem den Eindruck der Landschaft, ihre Lichtstimmung wiedergeben.

Wie sehr dies der nachfolgenden Generation der jungen kanadischen Maler und Malerinnen gelingt, die hierzulande völlig unbekannt sind, zeigen schon die ersten Räume der Ausstellung, die mit Strandszenen aus der Bretagne und der Normandie bezaubern. Maurice Cullen malt nicht nur die bretonischen Wäscherinnen, sondern auch das im Sonnenlicht transparente weiße Leinen in ihren Händen. Flirrendes Lichtspiel im Herbstlaub, goldenes Abendlicht auf Häuserfassaden, Wind in den Gräsern an der englischen Küste - die Bilder führen vor Augen, wie die Kanadier die milden Klimazonen mit ihrem Spiel von Licht und Farbe einzufangen wissen. Eine Ausnahme ist der damals erfolgreiche Paul Peel, dessen ausgestellte Kinderbilder kitschig wirken.

Welche Gegensätze im Vergleich von Kanada und Europa aufeinanderprallten, zeigen zwei Kurzfilme im ersten Raum der Ausstellung: Hier Holzfäller im Wald, dort Buben im Matrosenanzug mit Spielzeugbooten. Hier die raue Natur, die der Mensch urbar machen will, und dort die gezähmte, liebliche Natur als Raum für Beruf und Freizeit. Die Exponate der Ausstellung aus dem frühen 20. Jahrhundert schlagen nun einen großen Bogen von sommerlichen Strandszenen hin zu Kinder- und Frauenporträts in Gärten und auf Feldern, gefolgt von Szenen der Stadt und der Industrie.

Den Abschluss bilden Winterbilder aus den Weiten Kanadas. Und genau in diesen heimatlichen Szenen zeigen die Kanadier, was sie in Frankreich gelernt haben: Die Dampflock stößt schwarzen Rauch in die klare Winterluft, die farbigen Holzhäuser leuchten auf in der weißen Morgensonne, die Baumstämme stehen wie ein klirrender Eispalast in blauer Luft. Rosa und hellblau ist die Palette der Maler, die Schnee und Eis ihrer Heimat auf die Leinwand bannen. Alexander Young Jackson stapft mit Schneeschuhen über die Felder, um vor Ort die Landschaft zu skizzieren, wie es die Franzosen an der Seine vorgeführt haben.

Der Gegensatz zwischen den sonnendurchfluteten Meeresufern Frankreichs und den eisigen Flüssen Kanadas könnte größer nicht sein - und doch gelingt es den Malern, genau diesen Temperatur-Unterschied in ihren Bildern zu vermitteln. Sie sehen und malen Kanada in einem neuen Licht. Die Ausstellung aber öffnet die Augen für eine hierzulande völlig unbekannte Malergeneration, die in der Nachfolge der französischen Künstler im 20. Jahrhundert die "Impression" der Landschaft malt.

Annette Krauß