Solide Musical-Produktion

24.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:52 Uhr

Gelungenes Regiehandwerk: Szene aus "My Fair Lady" am Theater Regensburg. - Foto: Zitzlsperger

Regensburg (DK) Wenn der Regensburger Theaterintendant Ernö Weil selbst inszeniert, kann man – das zeigt die bisherige Erfahrung – davon ausgehen, dass einem ein handwerkliches Debakel wie bei der letztjährigen "Manon Lescaut"-Produktion erspart bleibt.

Geniestreiche sind auf der anderen Seite freilich auch nicht zu erwarten, die Wiederentdeckung von Theodor Veidls "Kleinstädtern" 2005 war wohl seine bisher überzeugendste Arbeit. Überraschungen blieben nun auch bei "My Fair Lady" aus, schon allein von der Qualität des Stücks her aber ein Quantensprung im Vergleich zum letzten Regensburger Musical, dem "Kleinen Horrorladen". Weil lässt den Klassiker von der textlich etwas verschluderten Eröffnungsszene abgesehen mit gutem Timing und behutsamen Aktualisierungen über die Bühne gehen. Schön getroffen ist vor allem das Proletenambiente unter den Müllfahrern. Matthias Degen als Vater Doolittle ist vielleicht kein großer Sänger vor dem Herrn, aber seine herausgepolterte Moralpredigt aus dem Geist des Prekariats hat Format.

Bei den schnellen Szenenwechseln nach der Pause droht dem Ganzen ein wenig die Luft auszugehen; die nun etwas lieblos hingepinselten Bühnenbilder tragen ebenso wenig zur Stimmungssteigerung bei wie die Balletteinlage bei der erfolgreichen Einführung Elizas in die feine Gesellschaft – ein feurig getanztes, gleichwohl entbehrliches Drakula-Gehopse. Mehr Spaß macht da schon das Müllentsorgungstänzchen, und mit Silvia van Spronsens souveränem zweiten Auftritt als Higgins’ Mutter sind wir endlich wieder auf Höhe der herrlichen Ascott-Szene des ersten Teils. Nadine Hammer trifft trotz anfänglicher Artikulationsschwierigkeiten den richtigen Ton für das flegelhafte Blumenmädchen, das von einer "wunderscheenen" Zukunft träumt. Wenn Eliza nach erfolgreicher Prüfung in phonetischer Botanik ("Es grünt so grün . . .") allerdings die Nacht durchtanzen möchte, müsste sie den schrillen Tonfall ihrer Berliner Schnauze noch ein wenig abmildern, und die plötzlich mit Operntremolo herausgeschleuderten Spitzentöne sind auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Sehr gut agiert sie allerdings im Nahkampf mit Higgins, den Achim Konrad mit so präziser Arroganz anlegt, dass man sich schon ein wenig fragt, warum die "entzückend ordinäre Rinnsteinpflanze" am Ende ausgerechnet in seinen Armen landet.

Andererseits fehlt eine ernst zu nehmende Alternative, zu fahrig in Stimme und Ausdruck schmachtet Frederik Baldus als Freddy Eynsford-Hill seine Angebetete an. Einmal mehr erweist sich Oliver Severin als Garant für Spielwitz und Präsenz, allzu viel gibt die Rolle des Pickering freilich nicht her.

Getragen von den schwungvollen Melodien – das Philharmonische Orchester unter Alexander Livenson nahm sich der Musik Frederick Loewes mit Esprit und Geschmack an – und den zeitlosen Pointen des Stücks war das ein erfreulicher Abschluss der Regensburger Musiktheater-Saison.

Ab Herbst lockt ein für Weilsche Verhältnisse fast gewagter Spielplan, unter anderem mit der deutschen Erstaufführung von Simon Mayrs "Ulisse" und der Uraufführung von Franz Hummels "Zarathustra".