München
Sogar der FC Bayern wollte ihn

Angelo Mayer aus Gachenbach macht Karriere beim TSV 1860 München – und in deutschen Nationalteams

11.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:49 Uhr

Den Adler auf der Brust: Angelo Mayer (links) bestritt mittlerweile zwölf Länderspiele – darunter auch jenes mit der deutschen U18-Auswahl am 17. Dezember 2013 in Israel - Foto: Mizrahi/Getty Images

München/Gachenbach (DK) Ein deutscher Fußball-Nationalspieler aus dem Altlandkreis Schrobenhausen – es gibt ihn tatsächlich. Angelo Mayer heißt er, kommt aus Gachenbach und kickt aktuell für den TSV 1860 München. Nach Meinung vieler Experten steht dem 17-Jährigen noch eine große Karriere bevor.

Wobei sich das bisher Erreichte eben auch schon sehen lassen kann. So hat Mayer inzwischen zwölf Länderspiele auf dem Buckel (dreimal U16, fünfmal U17, viermal U18), trug also bereits zwölfmal den Adler auf der Brust – und dabei muss es ja nicht bleiben.

„Natürlich habe ich davon als kleiner Bub immer geträumt“, gibt das Riesentalent zu. Aber mit Träumen allein war’s dann bei Weitem nicht getan. Der kometenhafte Aufstieg des Gachenbachers – er ist vielmehr das Resultat unglaublich harter Arbeit. Ein perfektes familiäres Umfeld sowie ein Quäntchen Glück taten ihr Übriges, dass aus dem einstigen F-Junior des TSV Weilach mittlerweile ein stolzer Besitzer eines Profivertrags bei den Münchner Löwen geworden ist. Ja, genau einen solchen hat der 17-Jährige nun unterzeichnet – gültig ab dem Sommer dieses Jahres, bis zum 30. Juni 2017. „Bis dahin hoffe ich, Stammspieler in unserem Bundesligateam zu sein“, erklärt Mayer: „Auch wenn ich natürlich weiß, dass es dafür noch gewaltig viel zu tun gibt.“

Aber Strapazen auf sich zu nehmen, das kennt Angelo ja – seitdem er im Jahr 2007 von den Sechzigern entdeckt wurde. Wie diese auf ihn aufmerksam geworden waren? „Eigentlich war’s Riesendusel. Ich kickte damals bei den D-Junioren des FSV Pfaffenhofen – und in einem Pokalmatch gegen den SV Manching, das wir durch drei Tore von mir mit 3:2 gewannen, schaute zufälligerweise ein Scout der Löwen zu“, erinnert sich das Talent. Dem Späher gefiel wohl, was er vom damals noch kleinen Gachenbacher sah, denn er sprach ihn an, gab ihm seine Handynummer – und sorgte damit im Hause Mayer für leichte Konfusion. „Wir konnten das Ganze kaum fassen“, gibt Vater Helmut nun schmunzelnd zu: „Wir wussten ja, dass Angelo ein guter Spieler ist – aber gleich für den Nachwuchs eines traditionsreichen Bundesligaklubs“

Der Auserwählte selbst, im zarten Alter von elf Jahren, wusste auch nicht genau, was er mit der Sache anfangen sollte. Immerhin war Angelo zu diesem Zeitpunkt noch stolzer FC-Bayern-Fan – im Gegensatz zu seinem Bruder Sascha, der immer schon zu den Löwen half. „Aber im Endeffekt war ich schon voll happy über das Interesse an mir. Und natürlich hoffte ich, dass es weitergeht.“

Es ging weiter. Der nächste Schritt: ein Probetraining an der Grünwalder Straße – mit dem U13-Team des TSV 1860, vor den Augen der gesamten Nachwuchsleitung. „Anfangs war ich sehr nervös, aber anschließend hatte ich ein gutes Gefühl“, erinnert sich Angelo. Und sein Eindruck trog nicht, denn nur wenige Tage später kam per Telefonanruf das endgültige Angebot: Die Löwen wollten ihn komplett. Ihn, den Buben aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen – rund 80 Kilometer von München entfernt.

„Also musste schnellstens unser Familienrat tagen“, berichtet Vater Helmut lächelnd. Es galt schließlich, das Für und Wider eines Klubwechsels abzuwägen. „Natürlich war diese Riesenchance einerseits toll – aber andererseits stellte sich schon die Frage: ,Wie stemmen wir das mit der ganzen Fahrerei’“, erinnert sich der Senior. In einem Punkt indes waren sich die Mayers schnell einig: Seine Schulausbildung sollte Angelo auf jeden Fall in Schrobenhausen weitermachen, um seinen Freundeskreis behalten zu können. Ein Internat in München kam nicht in Frage.

Aber wer sollte ihn dann dreimal pro Woche zu den Trainingseinheiten an die Grünwalder Straße bringen? Nun kam den Mayers der Faktor Glück zur Hilfe: Ein guter Freund und früherer Jugendtrainer von Angelo, Jochen Humpel, erklärte sich spontan dazu bereit, das Talent regelmäßig nach München zu chauffieren – zwei Jahre lang, bis ihm das aufgrund beruflicher Veränderungen nicht mehr möglich war. „Ohne ihn hätte es meinen Schritt zu den Löwen nie gegeben“, sagt Angelo Mayer nun voller Dankbarkeit: „Ohne Jochen wäre ich nicht hier, wo ich jetzt bin.“

Aber ab dem Jahr 2009 musste es eben ohne Humpel gehen – und Angelo wurde zum Pendler: Mama Anita brachte ihn fortan zur S-Bahn nach Petershausen, den Rest zum Vereinsgelände erledigte der 13-Jährige allein mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Und nein, das war nicht nur Spaß! Blicken wir kurz auf seinen damaligen Tagesablauf: 6 Uhr Aufstehen, dann noch Lernen und Frühstücken; 8 Uhr Schule; 14 Uhr Mittagessen zu Hause, Hausaufgaben und 30 Minuten Mittagsschlaf; 15.30 Uhr Abfahrt nach Petershausen; 16:08 Uhr Abfahrt der S-Bahn nach München; 17.45 Uhr bis 19.45 Uhr Training; 21.30 Uhr Ankunft zu Hause und Ins-Bett-Gehen. „Erstaunlicherweise blieb Angelo trotzdem einer der Klassenbesten“, wundert sich Vater Helmut: „Aber er musste ja auch versuchen, dass seine Noten weiterhin stimmen – ansonsten hätte es Ärger mit dem TSV 1860 gegeben.“

Bei den U15- und U16-Junioren standen dann pro Woche schon vier Trainingseinheiten auf dem Programm, bei den U17-Junioren sogar fünf. Um diese Strapazen bewältigen zu können, dafür war ein großer Wille von Nöten. Angelo hatte ihn. Er lebte für seinen Traum, Fußballprofi zu werden. Mit Erfolg, wie wir nun wissen.

Wobei, im Jahr 2013 wäre Mayer um ein Haar zu einem Bankkaufmannslehrling geworden – wenn er nach erfolgreichem Realschulabschluss „Ja\" dazu gesagt hätte. Tat er aber nicht. „Ehrlich gesagt hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine Lust mehr auf Schule. Ich wollte mich mehr auf den Fußball konzentrieren“, erinnert sich der 17-Jährige. „Andererseits wollten wir nicht, dass der Bub nur zu Hause sitzt und dann zum Training fährt“, ergänzt Papa Helmut. Die Lösung gab’s dann vom TSV 1860: Die Löwen machten ihrem Talent den Vorschlag, ein Jahr Bundesfreiwilligendienst bei ihnen zu leisten – und Angelo nahm freudestrahlend an! „Ich sitze nun im Büro vom Chef unseres Nachwuchsleistungszentrums, darf zum Beispiel Spielanalysen machen und bekomme eine Menge Hintergründe mit. Das macht eine Menge Spaß“, berichtet der 17-Jährige. Und sein Vater ergänzt: „Ein bisschen Geld verdient er dadurch auch.“

Wenn Angelo nun, im Sommer, zum FC Bayern wechseln würde, wären es wohl sogar ein paar Euro mehr. Und der Klub von der Säbener Straße wollte den Gachenbacher tatsächlich – ebenso wie der VfB Stuttgart, die TSG Hoffenheim oder der FC Augsburg. „Natürlich ist es toll, wenn gerade der FC Bayern Interesse an dir zeigt. Aber nach dem zweiten Gespräch mit seinen Verantwortlichen sagte mir mein Bauchgefühl, dass ich doch lieber bei den Löwen meinen ersten Profivertrag unterschreiben sollte. Beim TSV 1860 sind die Perspektiven für junge Spieler besser, und der Verein hat sich toll um mich bemüht“, erklärt der 17-Jährige.

Übrigens: Auf die Dienste eines Spielerberaters verzichten die Mayers noch immer, sie führen Verhandlungen als Art „Familienunternehmen“ stets selbst. „Aber wir haben schon auch Vertrauenspersonen, die sich in diesem Geschäft auskennen und die uns helfen“, berichtet Vater Helmut.

Wie geht’s jetzt weiter für den Linksverteidiger, der am 10. September 18 Jahre alt wird? „Nächster Schritt soll sein, dass ich den Führerschein mache. In sportlicher Hinsicht möchte ich mir in unserer U23-Mannschaft einen Stammplatz erarbeiten, sodass ich vielleicht bald auch mal bei unserem Zweitligateam mittrainieren darf. Und was dann kommen soll, kann sich wohl jeder denken“, sagt das Riesentalent schmunzelnd.

Wie schon erwähnt: Der Gachenbacher lebt für den Fußball. Für andere Dinge bleibt da kaum Platz. Und wenn doch? „Dann verbringe so viel Zeit wie möglich mit meinem Bruder oder mit meinen Freunden.“ Angelo ist eben bodenständig, bescheiden geblieben. Und wer die Mayers einmal kennenlernen durfte, der weiß: Angelo wird es auch bleiben. Völlig egal, was da noch kommt.