Bayern
"Söder ist kaum zu vermeiden"

Der Passauer Politologe Heinrich Oberreuter über den Machtkampf in der CSU

23.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr


Herr Oberreuter, CSU-Chef Horst Seehofer will den Machtkampf mit seinem Rivalen Markus Söder in der Partei einvernehmlich und harmonisch beenden, spätestens Dezember soll eine Lösung gefunden sein. Gelingt das?

Heinrich Oberreuter: Jetzt soll miteinander geredet werden, in der Hoffnung, dass alle aufeinander zugehen. Am 4. Dezember soll dann im Parteivorstand eine Lösung beschlossen werden, mit der man in den Parteitag Mitte Dezember gehen kann. Offenbar hat es noch keine sich aufdrängende Lösung gegeben, sondern nur Absichtserklärungen für eine friedliche Lösung. Nach den Sondierungsgesprächen in Berlin kann Horst Seehofer jetzt für seine eigenen Positionen kämpfen. Die Söderisten haben die Friedenspflicht nicht eingehalten und kräftig auf die Pauke gehauen. Die Melodie der Söder-Anhänger war aber nie die Melodie der Partei.

 

Ein Jamaika-Bündnis in Berlin ist Geschichte. Seehofer auch?

Oberreuter: Horst Seehofer ist längst nicht Geschichte. Das Kapitel ist noch nicht geschlossen. Wer geglaubt hatte, Horst Seehofer würde nach München zurückkehren und eine Kapitulationserklärung unterzeichnen, der kennt ihn schlecht. Daran ändern auch Gerüchte nichts. Wenn Seehofer Parteivorsitzender bleiben und Markus Söder Ministerpräsident werden würde, wäre das die bequemste aller Lösungen. Nicht auszuschließen, dass sie kommt. Das wäre aber unfruchtbar. Das persönliche Verhältnis zwischen beiden ist äußerst angespannt. In der Landtagsfraktion freut man sich ja bereits, wenn sich beide die Hände schütteln. Das heißt noch lange nicht, dass es keine Differenzen mehr gibt.

 

Wäre eine Aufteilung von Parteivorsitz und Ministerpräsident eine sinnvolle Lösung?

Oberreuter: Das Amt des Parteivorsitzenden ist für die Gestaltung der Politik in den nächsten Monaten und vielleicht auch noch in den kommenden Jahren erheblich wichtiger als das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. Selbst wenn Söder Ministerpräsident werden würde, hätte der Parteichef immer noch die Zügel in der Hand, was die generelle politische Richtung angeht. Das gilt auch für die Regierungsbildung und die Entscheidungen in Berlin. Eine solche Lösung würde zwangsläufig dazu führen, dass wieder Konflikte ausbrechen zwischen dem Parteivorsitzenden und dem Ministerpräsidenten. Das war so zwischen Strauß und Goppel und zwischen Waigel und Stoiber. Beide Ämter gehören in eine Hand. Der Machtkampf ist für eine kurze Zeit befriedet, aber nur vertagt.

 

Wie tief ist der Riss in der Partei durch diesen Machtkampf?

Oberreuter: Der Riss in der CSU ist gewaltig. Es gibt eine Söder-Partei und eine Anti-Söder-Partei. Eigentlich ist eine Lösung dieses Machtkampfes ohne Söder nicht vorstellbar. Eine Einbindung Söders ist kaum zu vermeiden. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Seehofer in ein Bundeskabinett unter Angela Merkel eintreten würde. Das Verhältnis der beiden ist belastet. Aber das Verhältnis zwischen Seehofer und Söder ist noch schlechter. Merkel und Seehofer verstehen sich inzwischen auch wieder besser. Nach allem, was zu hören ist, war der CSU-Chef in den Berliner Sondierungsgesprächen sehr konstruktiv und erfolgreich, während ihm Söders Leute gleichzeitig Messer zwischen die Rippen gestoßen haben. Da gibt es tiefe Verletzungen und kaum Chancen auf Versöhnung.

 

Könnte Söder die CSU wieder einen und erneut zur absoluten Mehrheit in Bayern führen?

Oberreuter: Söder würde bei der Landtagswahl auch kein besseres Wahlergebnis erzielen als Seehofer. Die Zeiten der 50-Prozent-Ergebnisse sind vorbei. Natürlich hat Söder erhebliche Kommunikationstalente und Kompetenzen. Aber es ist längst nicht ausgemacht, dass die Gräben nach einer neuen personellen Aufstellung zugeschüttet werden können. ‹ŒDK

 

Das Gespräch führte

Andreas Herholz.