Pfaffenhofen
"So leer war mein Zug schon lange nicht mehr"

26.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:31 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Mit Verständnis und Gelassenheit haben viele Pendler auf die ersten Warnstreiks der Gewerkschaften Transnet und GDBA reagiert, die gestern für erhebliche Einschränkungen im Bahnverkehr sorgten.

Wer sich in einen der ersten Züge in Richtung München um 6 Uhr früh setzte, hatte noch Glück. Sie fuhren pünktlich und ohne Halt bis zum Hauptbahnhof – wo die Fahrgäste allerdings ein fast schon gespenstisches Szenario erwartete. "Im ganzen Bahnhof war kaum ein Mensch. Das war fast unheimlich", konnte es Kristina Ermert aus Fürholzen kaum fassen, wie leer eine derart riesige Halle sein kann. Die meisten Pendler hatten offenbar präventiv gehandelt und auf das Bahnfahren von vornherein verzichtet.

"So leer war mein Zug schon lange nicht mehr", bestätigte Holger Hamelmann diesen Eindruck. Er machte sich um 6.24 Uhr und damit nur mit minimaler Verspätung auf den Weg nach München. Ihn trafen die Streik-Aktionen mit voller Wucht. Bis Dachau lief alles planmäßig. "Aber dann war Schluss und wir sind eine ganze Zeit lang gestanden." Er berichtete von wartenden Menschenmengen auf den Dachauer Bahnsteigen und kurzfristig eingerichteten Bustransfers. "Offenbar wurde das Stellwerk in Allach bestreikt", wusste der Pfaffenhofener CSU-Stadtrat Martin Wolf zu berichten, der ebenfalls in Dachau festsaß.

Wolf bestieg seinen Zug um 7 Uhr in Pfaffenhofen – und hatte jede Menge Glück. "Ich bin nur kurz in Dachau gestanden und war mit lediglich einer halben Stunde Verspätung in München", sagte er. Hamelmann kam zumindest mit einem blauen Auge davon. "Im Zug war es warm, da war das Warten halb so schlimm", sagte er schmunzelnd. Am Hauptbahnhof ist er allerdings erst gegen 9 Uhr angekommen – nach einer fast zweieinhalbstündigen Odyssee. "Trotzdem habe ich alles richtig gemacht und das Dilemma einfach ausgesessen", sagte er. Seine Frau Susanne hatte weniger Glück. Ihr Zug hätte um 7.15 Uhr in Rohrbach abfahren sollen, wurde aber komplett gestrichen. In einem waren sich Wolf und Hamelmann jedenfalls absolut einig. "Her bin ich zum Glück gekommen", sagte Hamelmann – und Wolf ergänzte nur allzu passend: "Jetzt bleibt halt nur die Frage, wie ich es wieder nach Hause schaffe . . ."

Deutlich schlimmer hat es die Pendler in Richtung Nürnberg erwischt. Um 7 Uhr wollte sich Wolfs Stadtrats-Kollege Roland Dörfler (Grüne) auf den Weg in die Frankenmetropole machen. "Ich habe erst in Pfaffenhofen, später in Ingolstadt richtig lange warten müssen", sagte er – passenderweise während er in Nürnberg gerade die Augen nach einer Straßenbahn offen hielt. "Die fährt auch nicht. Aber es ist schon interessant, dass die Stimmung trotzdem allgemein gut war und die wartenden Pendler sehr viel Verständnis zeigen", fügte er nach seiner gut dreistündigen Irrfahrt an.

Viele zeigten Verständnis. Sabine Schwarze aus Pfaffenhofen aber ganz sicher nicht. Ihre beiden Söhne (elf und 15 Jahre) schafften es nicht pünktlich in die Schule nach München, was der Mutter gründlich missfiel. "Die Streiks treffen die Falschen und hätten nächste Woche in den Ferien stattfinden sollen", wetterte sie kräftig gegen die Bahn, die mehr durch Unpünktlichkeit als durch eine solide Beförderung ihrer Passagiere auffalle. "Ich bin selbstständig tätig und kann weder diese ständigen Verspätungen, noch die Ausfälle tolerieren."

Ihre Söhne mögen die Sache anders sehen. Ihnen hat der Streik einen unverhofften schulfreien Tag beschert. Damit konnte die Mutter indes noch gut leben – und so wandte sich ihr Unmut gleich in eine andere Richtung. Sie habe sich im Internet über die Ausfälle erkundigt. "Gestimmt hat da gar nichts", schimpft sie. "Hätte ich es gewusst, hätte ich meine Söhne zumindest ausschlafen lassen können."