Kipfenberg
Singend wieder Worte finden

15.03.2011 | Stand 03.12.2020, 3:03 Uhr

Mit der Veeh-Harfe können Patienten ganz ohne Notenkenntnisse kleine musikalische Stücke spielen und erleben auf diese Weise wichtige Erfolgserlebnisse. - Foto: oh

Kipfenberg (EK) Musik ist eine universelle Sprache, die jeder verstehen kann. "Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und nicht zuletzt kann Musik die Motivation unserer Patienten fördern, denn Musik macht Spaß", erklärt Dominik Hibler, Musiktherapeut der Klinik Kipfenberg.

Die Neurologische Musiktherapie hat sich in Deutschland in den letzten zehn Jahren als wissenschaftlich fundierte Methode in der klinischen Praxis etabliert. In der Neurologischen Rehabilitation in Kipfenberg wird sie seit 1995 genutzt, um schwer betroffene Patienten in ihrer Ohnmacht zu erreichen oder mit Hilfe von Rhythmus und Melodie Sprache oder Bewegung zu üben.
 

Neues Verfahren

Immer mehr, auch wissenschaftlich getestete Verfahren werden entwickelt und angewendet. "Wir erarbeiten gerade gemeinsam mit der klinischen Linguistin Nadja John ein Programm der ‚Melodischen Intonationstherapie‘", erläutert Michaela Trabert-Rehm, Musiktherapeutin (DMtG) der Klinik Kipfenberg und erklärt: "Manche Schädel-Hirnverletzte können nicht sprechen, sie finden die Worte nicht mehr, auch wenn sie andere Menschen oft gut verstehen. In solchen Fällen singen wir mit ihnen auf eine Melodie einfache Sätze wie ‚Ich möchte schlafen gehen‘. Nach zahlreichen Wiederholungen können sie diesen Satz auch im täglichen Leben verwenden, obwohl sie sonst oft gar nichts sagen können." Patienten mit sehr schwerwiegenden Schädel-Hirnverletzungen sind in der Frühphase der Therapie mit den Mitteln der Sprache meist gar nicht zu erreichen, die Musik kann ihnen eine Brücke zurück in die Welt bauen.

"Manchmal reicht es aus, sich mit dem Instrument einfach an den Atem des Patienten anzupassen. Einige werden dabei ruhiger, bei anderen spürt man eine Veränderung der Atmung. Solche Reaktionen zeigen uns, dass wir selbst Menschen im Koma erreichen können", sagt Michaela Trabert-Rehm, Mitautorin des 2004 erschienenen musiktherapeutischen Fachbuches "ZwischenWelten".

Immer mehr Vertreter stellen die Frage nach der Wirkungsweise der Therapie. "Was passiert eigentlich im Gehirn und kann man die Abläufe tatsächlich mit Musik beeinflussen", fragt sich auch Kathrin Mertel.

Erkenntnisse verbreiten

Die Diplom-Musiktherapeutin arbeitet im Neurologischen Rehabilitationszentrum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Klinik Bavaria in Kreischa. Sie gehört einer Gruppe an, die es sich zum Ziel gemacht hat, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Neurologischen Musiktherapie in Deutschland zu verbreiten. In der vergangenen Woche referierte sie in der Klinik Kipfenberg und diskutierte mit den verschiedenen Fachdisziplinen die neuen Möglichkeiten.

In der Phase der Anschlussrehabilitation stehen aktive und rezeptive Methoden der Musiktherapie im Vordergrund. Mit den Mitteln der Musik geht es in erster Linie um Krankheitsbewältigung und den Weg zurück ins Leben. Das Training der Stimme, der Atmung, der Kognition oder motorischer Fähigkeiten sind ebenfalls wichtige Ansatzpunkte der funktionellen Musiktherapie.