Sinfonie aus Bildern und Emotion

David Rimsky-Korsakow zeigt die Uraufführung seines Werkes im Union-Kino

02.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:50 Uhr
Warten auf den Weltuntergang: Schauspielerin Juliane Götz im Bayerischen Wald. −Foto: Punch Visual

Ingolstadt - Unter einer Sinfonie versteht man normalerweise ein Werk, bei dem man im Konzert ein großes Orchester auf einer Bühne zu sehen bekommt - im Vordergrund steht die Musik.

Ein ganz anderer ästhetischer Eindruck auf vielen Ebenen der Kunst war dagegen die "Sinfonie der Amsel" von David Rimsky-Korsakow, die am Samstagabend als Musikfilm ihre Uraufführung im Kino Union erlebt hat.

Der Komponist, dessen Nachname sich auf seinen berühmten Urgroßvater bezieht, tritt in Ingolstadt regelmäßig mit Bühnenmusik fürs Stadttheater in Erscheinung. Die "Sinfonie der Amsel" - wegen des Bezugs auf einen japanischen Manga-Comic auch "kurotadori" betitelt - ist nach seiner ersten "Sinfonie der Spatzen" sein zweites derartiges Werk. Unter "sinfonisch" versteht er in diesem Fall, dass ein Stück ganze Welten erzählen könne.

Und so ist es auch: Die Zuschauer im Kino-Saal waren in dem Sinfonie-Film einer Vielzahl von Eindrücken auf unterschiedlichen ästhetischen Ebenen ausgesetzt. Zum Einen war da die Musik: Ein Übersichtsbild zeigte die drei Musiker - David Rimsky-Korsakow an den Electronics, Nika Shamugia an Cello, Synthesizer und Percussion sowie Marius Rödlmeier an Gitarre und Percussion - dabei, wie sie die Klangebene des Films schaffen. Im ersten von vier Sätzen war das eine sehr geräuschhafte Musik mit Kreischen, wildem Flirren und dem Zusammentönen von vielen elektronisch dazugeholten Percussion-Instrumenten. In einem späteren Satz wurde die Musik melodisch, tanzbar. Die Mischung aus Neuer Musik und dem elektronischen Genre "Noise" erzeugte eine akustische Installation, ein kraftvolles, manchmal verstörendes und die Emotionen direkt ansprechendes Klangbühnenbild.
Dazu die Bewegung der Kamera: Sie ließ über David Rimsky-Korsakows Schulter auf seine elektronischen Regler blicken, schaute ihm intensiv ins Gesicht oder Nika Shamugia von unten auf die Cello-Saiten. Passend zum Klang war die Kameraführung mal geradlinig, mal unter den lauten Schlägen der Musik schwankend, die Perspektive manchmal fischaugenartig, Blendenflecke von den in einem kahlen Betonraum aufgestellten Scheinwerfern schwammen durchs Bild. Als weiterer ästhetischer Eindruck verbanden kurze Szenen, aufgenommen im novemberhaften Bayerischen Wald, die einzelnen Sätze der Sinfonie. Schauspielerin Juliane Götz ging barfuß durchs Moos, wartete in einem Zelt aus aufgestellten Ästen auf den Weltuntergang, tanzte oder blinzelte in Nahaufnahme. Aus dem Off zu hören waren dazu rezitierte Textzeilen wie "auf deine Schläfen tropft schwarzer Tau, das letzte Gold verfallener Sterne" (Georg Trakl), "als ein Geist werde ich jetzt umherschweifen in den Sommerfeldern " (japanisches Haiku) oder ein Auszug aus Georg Büchners "Woyzeck". Gegen Ende dann sang der Wind, Schläge von Schellenkranz und Becken, dazu ein entferntes Brüllen und Laute wie von zufallenden Toren, abgeschlossen von einem Trillerpfeifen-Trio.

Wie Rimsky-Korsakow in einer kurzen Einführung zu seinem Werk erklärte, nehme er Bezug auf den "Schmerzkörper eines gebrochenen Landes", wie er in der Zeit des Nazi-Regimes und des Zweiten Weltkrieg entstand und uns noch heute beeinflusse. Der Komponist dankte seinen Mitstreitern - zu denen, untypisch für eine Sinfonie, unter anderem eine Maskenbildnerin, ein Kameramann, ein Producer oder ein Mix-Assistent gehörten.

DK