"Sind unsere Arbeitsplätze noch sicher?"

18.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:11 Uhr

Ingolstadt (DK) Der Termin für den DONAUKURIER birgt Sprengstoff. Erstmals seit 1994 gilt ab heute für sieben Werktage Kurzarbeit bei Audi. Die Kommunikationsabteilung des Vorstands hat in den vergangenen Tagen gemauert, wo es nur ging: Informationen über die Kurzarbeit im Vorfeld? Schwierig. Ein Besuch im Werk, wenn die Fertigung ruht? Um Gottes Willen, bloß kein Bericht über die Friedhofsruhe, was wäre das für ein Signal nach außen!

Die IG Metall sieht das anders. Jörg Schlagbauer ist der Chef der Vertrauensleute, des verlängerten Arms der IG Metall. Er zählt auf seine Leute – und setzt auf die Maxime "Transparenz und Offenheit", mit der das deutlich verjüngte Team um den Betriebsratsvorsitzenden Peter Mosch vor drei Jahren angetreten ist. Und so stehen vor einem Treffen der Vertrauensleute aus dem Kfz-Rohbau zwei Gewerkschafter dem DK Rede und Antwort: Andreas Reinhold (43) aus Ingolstadt und Daniel Pöppel (27) aus Gaimersheim. Sie berichteten gestern, was sich auch auf der anschließenden Vertrauensleuteversammlung zeigen sollte: "Die Stimmung ist noch recht entspannt" (Reinhold), "weil wir die schönsten Autos bauen" (Pöppel). Und, da sind sich beide einig, weil der Informationsfluss recht gut sei.
 
Dazu gehört auch, dass Schlagbauer ein, zwei Mal pro Jahr in die Sitzungen der Vertrauensleute der IG Metall kommt. Den Großteil seines etwa 40-minütigen Vortrags im Sitzungsraum des Betriebsrats widmet er der Mitgliederentwicklung bei der Gewerkschaft (ein sattes Plus von 2475 im vergangenen Jahr), er lobt seine Kollegen, ohne dass es peinlich klingt ("Wir sind verdammt gut unterwegs, das ist Euer Erfolg"), und wiederholt die Forderung, dass die zweite Stufe der Tariferhöhung zum 1. Mai greifen müsse ("Wir erwarten vom attraktivsten Arbeitgeber, dass das umgesetzt wird"). Erst zum Schluss kommt er auf die Kurzarbeit zu sprechen. Seine Botschaft: Die Vertrauensleute sollen Ruhe bewahren und die Belegschaft nicht verunsichern, "im Gegensatz zu manchen Herren in der Leitung".
 
Kaum hat Schlagbauer seinen Vortrag beendet, kommen die Fragen, Schlag auf Schlag. Bis auf den Eisbrecher, der die Forderung zur Tariferhöhung wiederholt, beziehen sich alle auf die Kurzarbeit. Die Betriebsräte gehen ins Detail, fragen nach der Steuerpflicht des Kurzarbeitergelds (steuerfrei, die Sozialversicherung übernimmt Audi) und danach, ob Audi seinen Anteil am Kurzarbeitergeld auch zahlt, wenn weitere Tage vereinbart werden sollten – schließlich kommt ein Audianer dank Zuschlag vom Arbeitgeber auf etwa 95 Prozent seines sonst üblichen Gehalts, je nach Steuerklasse. Laut Max Wäcker, Geschäftsführer des Betriebsrats, gilt das auch weiterhin.
 
Die Detailfragen zeigen: Zum Thema Kurzarbeit ist alles gesagt. Die Beschäftigten sind davon überzeugt, dass sie sinnvoll ist, um Arbeitsplätze zu retten. Was danach kommt, weiß keiner. Und so fragt ein Vertrauensmann auch: "Sind unsere Arbeitsplätze trotz Kurzarbeit noch sicher" Die Antwort weiß Schlagbauer auch nicht, aber genau dieses Thema wird in seinen Augen zu wenig diskutiert. "Dabei könnte ich doch als Arbeitgeber gerade jetzt beweisen, wie attraktiv ich bin", sagt er fast schon zornig. Und schiebt zufrieden hinterher: "Die Betriebsvereinbarung ,Zukunft Audi’ wurde in manchen Punkten ja sehr heiß diskutiert. Aber jetzt stellt sich heraus, dass wir sehr gut beraten waren, den Kündigungsschutz bis Ende 2011 mit aufzunehmen."
 
Wäcker ergänzt: Auf einer Informationsveranstaltung im Anschluss an das jüngste Managementtreffen in Salzburg habe sich der Audi-Personalvorstand Werner Widuckel klar für die Beschäftigungssicherung ausgesprochen. Dass sie im Vordergrund stehe, habe der Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler auf der letzten Betriebsversammlung ebenso betont. Wie hatte Schlagbauer doch in bester Stadlerscher Manier in seinem Vortrag motivierend gesagt? "Wir müssen diese Phase nutzen, um gestärkt aus der Krise zu gehen.
 
Nach einer Stunde verabschiedet sich Schlagbauer aus der Sitzung des Rohbaus. Vor seinen Leuten war er hoch konzentriert und gab sich gleichzeitig sehr entspannt. Kaum ist die Tür hinter ihm zu, fällt die Anspannung von ihm ab. Er sagt kein Wort, doch ihm ist deutlich anzumerken: Von den Treffen mit seinen Vertrauensleuten hängt sehr viel ab. Denn sie beeinflusst die Stimmung im Betrieb gerade in diesen schwierigen Tagen maßgeblich.