Pyeongchang (dpa
Silber, das golden glänzt

Eishockey-Nationalteam verliert Finale gegen Russen denkbar knapp doch begeistert ganz Deutschland

25.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Pyeongchang (dpa/sid/DK) Das historische Olympia-Finale von Pyeongchang ging dramatisch verloren, doch das Eishockey-Nationalteam hat eine ganze Nation verzückt. Am Ende feierten die Spieler ihre Silbermedaillen wie Gold.

Die stürmische Silberparty von Deutschlands Eishockey-Wunderteam war selbst für US-Skistar Lindsey Vonn unwiderstehlich. Als die Kufencracks von Bundestrainer Marco Sturm nach der Olympia-Schlussfeier das extra für sie noch geöffnete Deutsche Haus enterten, war die Trauer über das nur um 55,5 Sekunden verpasste Gold längst verflogen. "Reißt die Hütte ab", brüllten die Puckjäger zum Start der letzten großen Sause in Pyeongchang.

Am Tresen zapfte Alfons Hörmann, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, eigenhändig das Bier für die neuen Sportlieblinge der Nation. "Das ist eine unfassbare Geschichte für uns alle. Für uns ist ein großer Traum in Erfüllung gegangen", sagte Torwartheld Danny aus den Birken, ehe er wieder in der tosenden Jubeltraube seiner Teamkollegen verschwand. "So sehen Sieger aus", tönte immer wieder durch die Räume des sonst so gesitteten Birch Hill Golf Clubs. Fast schon vergessen war das unglückliche 3:4 (0:1, 1:0, 2:2) nach Verlängerung im Finalkrimi gegen die Stars der Olympischen Athleten aus Russland (OAR).

Auch für Stürmer Patrick Reimer gab es nun kein Halten mehr, nachdem er kurz nach dem Endspiel noch besonders geknickt war. Während einer Strafzeit gegen den Nürnberger schossen die Russen in der Verlängerung das Siegtor durch Kirill Kaprisow in der zehnte Minute der Overtime. Der Goldfavorit hatte gegen ein bravourös kämpfendes Team erst 55,5 Sekunden vor dem Ende ausgeglichen. "Hat Ihnen schon mal jemand ins Herz gestochen? So fühlt sich das an", sagte der starke Goalie aus den Birken.

Doch nach einer langen Ansprache von Trainer Sturm trockneten allmählich die Tränen der deutschen Spieler, die die Russen nach Toren von Felix Schütz (30.), Dominik Kahun (54.) und Jonas Müller (57.) beinahe in die Knie gezwungen hätten. "Ganz Deutschland ist stolz auf uns", meinte aus den Birken über den grandiosen Erfolg, der nach 42 Jahren endgültig Olympia-Bronze von 1976 verblassen lässt. "Wir lassen uns jetzt auch 40 Jahre lang feiern", witzelte aus den Birken. "Yannic Seidenberg stand neben mir und hat gesagt: ,Das ist ein Bild, auf das schauen wir ein Leben lang zurück.' Da will ich nicht mit irgendeiner Grimasse dastehen, sondern mit lachendem Gesicht", sagte Reimer. "Wir haben es uns verdient, dass wir lachen können."

Zunächst ging es für die Silbergewinner weiter zur Schlussfeier, auf der Abwehr-Ass Christian Ehrhoff stellvertretend für das gesamte Team die deutsche Fahne trug. Die Medaillen hingen um den Hals, David Wolf trug Yannic Seidenberg beim Einmarsch ins Olympiastadion auf seinen Schultern. Danach stand die Abschluss-Sause im Deutschen Haus in den Bergen von Pyeongchang an.

"Wir sind nicht nur als eine Mannschaft zusammengewachsen. Ich denke auch, ganz Deutschland ist zusammengewachsen. Das werden wir als eine Mannschaft auch nicht vergessen", sagte der ergriffene Bundestrainer Sturm zu den wundersamen 17 Tagen von Pyeongchang. Seit der Ankunft am 8. Februar in Südkorea entwickelte sich aus einem von der Fachwelt und Öffentlichkeit belächelten Außenseiter ein Team, das zusammenwuchs, sich steigerte und die großen Nationen das Fürchten lehrte.

Selbst der russische Super-Stürmer Pawel Dazjuk war beeindruckt. "Ich bin sehr überrascht, sie haben sehr gut gespielt. Sie waren besonders läuferisch gut, sie haben gut verteidigt, sie haben ein gutes System, eine gute Organisation", sagte der frühere NHL-Star.

Auch die Nationalspieler aus der NHL, die wegen des Olympia-Boykotts der besten Liga der Welt nicht mithelfen konnten, fieberten mit. "Jungs ihr wart Weltklasse. Könnt unglaublich stolz auf euch sein", twitterte Stanley-Cup-Sieger Tom Kühnhackl, und Abwehrspieler Korbinian Holzer meinte: "So unglaublich stolz auf diese Jungs. We'll be back."

Der sensationelle Gewinn der Silbermedaille soll nun einen Boom begründen. Nach dem Fußball ist Eishockey zwar nach Zuschauerzahlen immer noch die populärste Mannschaftssportart in Deutschland, hatte es in der Öffentlichkeit auch wegen ausbleibender Erfolge aber zunehmend schwerer. "Ich hoffe, dass es dem deutschen Eishockey einen Push nach vorne gibt. Jeder zu Hause war aufgeregt. Da sind wir natürlich stolz, dass wir ein Land so mitziehen konnten", sagte auch Sympathieträger Ehrhoff.