München
Showdown in der CSU

Heute will Ministerpräsident Horst Seehofer verkünden, wie es an der Spitze der Partei weitergehen soll

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

München (DK) Heute wird Horst Seehofer seinen Masterplan vorstellen, sagen, wie es weitergehen soll an der Spitze von Partei und Freistaat, nachdem die CSU bei der Bundestagswahl im September mit 38,8 Prozent ein historisches Debakel erlebt hat. So hat Seehofer es zumindest angekündigt.

Wobei, angekündigt hat er in der Vergangenheit viel: "Ich will die Nachfolgefrage nicht im Konflikt, sondern im Einvernehmen lösen, in Harmonie zwischen denen, die die politische Bühne verlassen wollen, und denen, die noch stärker ins Rampenlicht wollen. Streit wird nicht goutiert - das sollte die CSU für alle Zeiten bedenken", sagte er 2012. Und: "Eine Trennung von CSU-Vorsitz und Ministerpräsidentenamt zu Unzeit geht schief. Darauf zu vertrauen, eine Ämtertrennung verdopple die Schlagkraft, ist blauäugig. Sie halbiert sie eher." 2014 hatte er dann betont, 2015 ein letztes Mal für zwei Jahre Parteichef werden und dann mit der Landtagswahl 2018 auch als Ministerpräsident aufhören zu wollen, "da stehe ich bei der Bevölkerung im Wort". Im selben Jahr hat er das dann aber wieder relativiert: "Ich habe das große Ziel, dass wir in der CSU einen geordneten Generationenübergang hinbekommen. Aber ich wüsste auch, was ich zu tun hätte, wenn kein ordentlicher Übergang gewährleistet wäre." 2015 kündigte er in Sachen Ministerpräsidentenamt für 2018 an: "Ich werde bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr kandidieren" - aber auch, dass es in der Nachfolgefrage "entscheidend anders laufen" werde, "als Sie alle glauben". 2016 kündigt er dann an, 2017 eines seiner beiden Ämter aufgeben zu wollen - der CSU-Chef müsse künftig in Berlin sitzen, weil er "nicht ewig den Libero machen" könne für die CSU, zudem ließe sich so die Schlagkraft der CSU erhöhen. Im April 2017 hieß es dann, die einst von ihm selbst vorgenommene Datierung seines Rückzugs aufs Jahr 2018 gehöre "nicht zu den klügsten" Aussagen seiner Karriere - und er wolle als Parteichef und Ministerpräsident über 2018 hinaus weitermachen.

Dann kam die Bundestagswahl - und in der Folge das Aufbegehren an der CSU-Basis, der offene Unmut in der Landtagsfraktion, das Plazet der Bezirksverbände für einen personellen Neuanfang, der Aufstand der Jungen Union.

Eigentlich, so heißt es, will Seehofer heute Abend in der um 18 Uhr beginnenden CSU-Vorstandssitzung Klartext über seine Zukunft reden. Zuvor, ab Mittag, ist er in der CSU-Landtagsfraktion. Formal geht es dort um die Unterrichtung der Landtagsabgeordneten über die Lage in Berlin nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Doch dass er sich dort einer Personaldebatte entziehen kann, gilt als unwahrscheinlich: "Es muss eine Aussage zur Personalfrage kommen", sagt einer, und fügt hinzu, Seehofer gelte bereits als "lame duck", als lahme Ente also, wie man im Politik-Jargon Amtsinhaber bezeichnet, die nicht mehr die Zeit und die Kraft haben, etwas voranzubringen. Seehofers Umgang mit Markus Söder sei "unwürdig".

Kontrovers diskutiert wird dort, ob man den Versuch von Personalfestlegungen durch Seehofer überhaupt noch akzeptieren soll. Und selbst für den Fall, dass es eine Urwahl gebe, wie von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ins Spiel gebracht, sieht man Söder auf der Siegerseite. Andere mahnen, durch die offene Situation in Berlin seien neue Unsicherheiten entstanden, die es politisch zu bewerten gelte - auch in Hinblick auf die unübersichtliche Personalfrage.

Fakt ist gleichwohl: Insbesondere die Ausfälle von Bildungsminister und Söder-Freund Ludwig Spaenle, der Aigner wegen Urwahl-Vorschlag und Kandidatur-Bereitschaft "politisches Leichtmatrosentum" vorwarf, und des Abgeordneten Florian Herrmann, der Aigner entgegnete, "nicht irgendwelche Möchtegerns können Ministerpräsident werden, sondern nur jemand, der das Zeug dazu hat", haben die Atmosphäre innerhalb der Landtagsfraktion enorm verschlechtert. Von der "legendären Geschlossenheit" jedenfalls, die CSU-Vize Manfred Weber gestern einforderte, ist im Moment nicht viel übrig.

Ausgerechnet das verschaffe Seehofer nun wieder mehr Freiheit bei seiner Entscheidung: Weil der Partei-Stall offensichtlich derart zerstritten ist, bleibe nur er selbst als Lösung, könnte Seehofer womöglich argumentieren. Schon seit Tagen lamentiert er über die Lage in München, über "zerstörerische Abläufe in den vergangenen Wochen", von denen die Zukunft zeigen müsse, "ob das überhaupt reparabel ist".

Er wolle Vorschläge machen, "die bei allen Beteiligten dazu führen, dass die Gefäße nicht platzen", kündigte er an. Und wie in diesem Zusammenhang Seehofers Satz, "eine Fortsetzung der Selbstzerstörung wird es mit mir nicht geben", zu interpretieren ist, darüber war man sich in München folglich nicht ganz sicher. Fakt ist im Moment nur eines: Zu den bisher denkbaren Varianten des teilweisen oder ganzen Rückzug Seehofers ist durch die Auseinandersetzungen der letzten Tage eine weitere hinzugekommen: die, dass Seehofer bleibt.