Pfaffenhofen
Sex mit einer 13-Jährigen

Wochenendarrest und Betreuung: Schöffengericht verurteilt 20-Jährigen nach Jugendstrafrecht

06.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:25 Uhr
Wegen sexuellen Missbauchs von Kindern wurde ein 20-Jähriger in Pfaffenhofen verurteilt. −Foto: Ebener, dpa

Pfaffenhofen - Mit einem blauen Auge davongekommen ist ein 20-Jähriger, der sich wegen schwerem sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Schöffengericht am Pfaffenhofener Amtsgericht verantworten musste. Die Anklage warf ihm Sex mit einer 13-Jährigen vor. Darauf steht nach dem Strafrechtsparagraphen 176 a eine Mindeststrafe von zwei Jahren. Amtsrichter Ulrich Klose urteilte allerdings nach dem Jugendstrafrecht: Er schickte Niklas T. (Name geändert) ins Wochenendarrest und stellt ihm einen Betreuer zu Seite.

 

Der Prozess ist die erste Verhandlung nach der fast achtwöchigen Corona-Pause am Pfaffenhofener Amtsgericht. Um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten, sind die Zuschauerreihen bis auf zwei Plätze gesperrt, der Zeugenstand vor dem Richtertisch drei Meter weiter nach hinten verlegt. Auch der Verteidiger, der üblicherweise unmittelbar hinter dem Angeklagten sitzt, nimmt jetzt versetzt hinter ihm Platz. Den Mundschutz allerdings, den sich der Angeklagte wie auch alle anderen Besucher des Amtsgerichts beim Betreten des Gebäudes umbinden musste, nimmt er auf Anweisung Kloses im Sitzungssaal ab: Richter und Staatsanwalt wollen dem Delinquenten ins Gesicht sehen.

Was sie erkennen, ist ein junger Mann, der sich ganz offensichtlich nicht darüber im Klaren ist, was er da angestellt hat. Denn auf die Frage, ob er wusste, wie alt das Mädchen war, sagt Niklas T.: "Also das Alter wusste ich nicht so direkt." Auf Nachfrage des Richters präzisiert er: "Dass sie jünger war, das wusste ich schon, aber nicht, dass sie so jung war." "Wenn Du das nicht ausgeschlossen hast", schlussfolgert Klose, "hast du also billigend in Kauf genommen, dass sie so jung ist." "Mmh, ja", brummelt der 20-Jährige. Der Staatsanwalt hakt nach: Niklas kannte das Mädchen schon länger, und sie habe ihm laut Polizeiprotokoll schon früher gesagt, wie alt sie sei. "Stimmt das?", fragt der Staatsanwalt. "Ja", räumt der Angeklagte ein, "aber ich hatte es vergessen."

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe sieht als Gutachterin im Angeklagten einen jungen Mann, der zwar im Erwachsenenalter ist, aber nicht so reif sei wie Gleichaltrige. Niklas T. habe unter der Trennung seiner Eltern gelitten, sei in einer stationären Jugendeinrichtung zur Schule gegangen und habe dort auch eine Ausbildung gemacht. Jetzt lebe er bei seiner Mutter und sei arbeitslos. Er suche einen passenden Job, aber offenbar mit wenig Nachdruck. Sie schlägt vor, bei Niklas T. das Jugendstrafrecht anzuwenden und ihm eine Betreuung zur Seite zu stellen. Ob er wüsste, was das bedeute, fragt ihn Klose. "Ja", erwidert Niklas T., "das ist jemand, der dauerhaft bei mir ist."

Wie es aussieht, ist es genau das, was ihm fehlt: Jemand, der ihn auf die Schiene hebt. "Ich brauche wirklich Hilfe", sagt Niklas T., der bereits dreimal wegen Drogendelikten und Diebstahl mit der Justiz zu tun hatte, "ich habe viel Scheiße gemacht, auch wegen meiner Eltern." Niklas schaut zu seiner Mutter, die ausdruckslos im Zuschauerraum die Verhandlung verfolgt.

In seiner Urteilsbegründung redet Klose dem 20-Jährigen ins Gewissen: Wäre er 21 gewesen, käme das Gericht um eine Freiheitsstrafe nicht herum. "Aber wir sehen deine Persönlichkeit, du bist noch nicht so weit wie andere." Niklas brauche einen Schuss vor den Bug, damit er sehe, dass sein Verhalten nicht folgenlos bleibt. Und weil er allein nicht in der Lage sei, auf die Füße zu kommen, stellt er ihm für ein halbes Jahr einen Betreuer zur Seite. Fast schon dankbar nimmt Niklas das Urteil an.

PK