Seltsame Odyssee eines verletzten Kindes

18.05.2007 | Stand 03.12.2020, 6:44 Uhr

Ingolstadt (DK) Erneut Ärger mit der Notversorgung im Klinikum, diesmal in Sachen GOIN-Notfallpraxis. Eine Mutter wurde mit ihrem nach einem Sturz aus dem Ohr blutenden Buben zu einer Ärztin nach Schrobenhausen geschickt – trotz Verdacht auf Schädelbasisbruch.

Der Fall, von dem Birgit Hackner aus Gaimersheim spricht, alarmiert: Sohn Yannick (6), erzählt sie, war vom Fahrrad gestürzt. Aus seinem Ohr floss Blut. Die Mutter brachte den Buben in die Notaufnahme ins Klinikum, wo Mutter und Kind zur GOIN-Notfallpraxis geleitet wurden. Der Mediziner hier verwies die beiden nach Schilderung der Mutter zu einer an dem Tag Dienst habenden GOIN-HNO-Ärztin nach Schrobenhausen. "Der nächste Weg", sagt Birgit Hackner empört. Die Ärztin konnte am Ohr des Buben nichts feststellen und schickte die Familie – nach einem Telefonat mit einem Chirurgen – umgehend ins Klinikum zurück. Hier angekommen ging es zunächst erneut in die GOIN-Notfallpraxis. Erst, nachdem die Mutter den Ernst der Lage geschildert hatte, kam Yannick in die Notaufnahme. Nach einer Computertomografie stand fest: Kein Schädelbasisbruch, aber ein gebrochenes Kieferköpfchen, jenes Gelenk, das der Mensch zum Auf- und Zumachen des Mundes benötigt. Yannick war eine Woche stationär im Klinikum, wo er nach Aussage der Mutter "sehr gut" behandelt wurde.

Beschwerdebrief

Ihre Kritik richtet sich deshalb nicht gegen das Klinikum, sondern gegen die GOIN-Notfallpraxis. Sie sieht dennoch das Klinikum als Ansprechpartner und hat einen Beschwerdebrief an den Ärztlichen Direktor, Professor Erich Keller, geschrieben. Was sie ärgert, ist vor allem die Tatsache, dass ihr Bub nicht in der Notaufnahme behandelt wurde, sondern in die GOIN-Notfallpraxis geschickt wurde.

Dies wiederum hat mit dem Kooperationsvertrag zu tun, den das Praxisnetz mit dem Klinikum geschlossen hat. Dr. Roland Zippelius, Leiter der Notaufnahme, erklärt das so: "Ist der Patient gehfähig, kommt er in die GOIN-Notfallpraxis." Muss er liegen oder wird er vom Rettungsdienst transportiert, geht es automatisch in die Notaufnahme. Er, Zippelius, habe sich über den Fall bereits mit der Mutter des Buben unterhalten und ihr geraten, sich an den Vorsitzenden des Praxisnetzes, Dr. Siegfried Jedamzik, zu wenden. "Bei einem Verdacht auf eine Schädelverletzung muss der Patient schnellstmöglich untersucht werden", sagt Zippelius. Der GOIN-Arzt hätte jederzeit einen Kollegen des Klinikums zu Rate ziehen können. Nach den Worten der Mutter sind mehrere Stunden vergangen, bis der Sechsjährige in der Notaufnahme untersucht wurde.

GOIN-Vorsitzender Dr. Siegfried Jedamzik will den Fall überprüfen. Hier sei wohl etwas "nicht optimal gelaufen", betonte er auf Anfrage des DONAUKURIER. "Wir gehen dem nach." Solche Prozesse müssten besser laufen, ergänzt Jedamzik. Bei größeren Problemen werde der Ärztliche Kreisverband eingeschaltet. Zunächst allerdings müsse er den betroffenen Kollegen zu der Angelegenheit hören.

Eine weitere Klage über die Notversorgung eines Kleinkindes betrifft die GOIN-Kindernotfallpraxis. Viktoria Mohr aus Nürnberg war am 13. Mai auf der Durchreise. Als ihr 16 Monate alter Sohn plötzlich einen extrem angeschwollenen rechten Augapfel hatte, kam sie mit ihm in die Notaufnahme, wurde jedoch an die GOIN-Kindernotfallpraxis verwiesen. Die Dienst habende Ärztin habe, ohne das Kleinkind genau anzuschauen, eine Arzthelferin angewiesen, ein Rezept für Augentropfen auszustellen. Nach?dem der Mutter diese Behandlung ungenügend vorkam, fuhr sie mit dem Kind zur Klinik Dr. Reiser. Dort wurde, wie die Mutter sagt, "eine anständige Diagnose erstellt".

" Wenn die Diagnose (der GOIN-Kindernotfallärztin, Anm. d. Redaktion) richtig war, habe ich mit dieser Vorgehensweise kein Problem", sagt GOIN-Chef Jedamzik. Eine Kinderärztin mit vielen Jahren Berufserfahrung könne den Grund für eine Schwellung durchaus auf einen Blick erkennen, so der Mediziner. Viktoria Mohr dagegen meint: "Die Diagnose der Ärztin im Klinikum mag im Endeffekt zwar richtig gewesen sein, aber zum Arzt sein gehört für mich auch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen." Ihren Beschwerdebrief hat sie übrigens nicht nur ans Klinikum und den DONAUKURIER, sondern auch an die Ärztekammer geschickt.