Pfaffenhofen
"Selbstständigkeit ist höchstes Gut"

Markus Reith ist ehrenamtlich in der Fachstelle für Barrierefreiheit des VdK tätig

31.07.2019 | Stand 23.09.2023, 8:01 Uhr
Josephine Djabri
Treffen mit Markus Reithim "Maximilians", einem barrierefreien Café in Geisenfeld −Foto: Djabri

Pfaffenhofen (PK) "Selbstständigkeit ist das höchste Gut", sagt Markus Reith. So gut wie er wissen wohl die Wenigsten um die Wahrheit dieses Satzes. Reith ist ehrenamtlich in der Fachstelle für Barrierefreiheit des VdK tätig. Diese berät beispielsweise Mitglieder, die ihre Wohnräume behindertengerecht umgestalten müssen. Er selbst ist dort Ansprechpartner für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. "Gedacht ist das so, dass sich Gemeinden aus dem Landkreis vor dem Bau von Straßen oder öffentlichen Gebäuden erst einmal an den VdK-Berater wenden können." Auf seinen ersten Auftrag wartet Reith aber bisher noch.

Knapp zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind schwerbehindert, trotzdem trifft Reith als Rollstuhlfahrer im Alltag immer wieder auf Probleme. Das liege vor allem daran, so sagt er, dass es für angehende Architekten keinen verpflichtenden Kurs für Barrierefreiheit gibt. "Es heißt oft, ein Ort sei barrierefrei, obwohl das nicht der Fall ist", so Reith. "Ich war zum Beispiel mal in einer Behindertentoilette, bei der unter dem Waschbecken ein Wasserboiler angebracht war. Als Rollstuhlfahrer hat man dann keine Chance ans Waschbecken zu kommen." Um einen Ort rollstuhlgerecht zu gestalten, müssen viele Faktoren beachtet werden. Unter der Küchentheke dürfen keine Schränke stehen, lange Rampen müssen in angemessenen Abständen mit Rastflächen ausgestattet sein und Gehwege müssen Absenkungen haben, so dass Rollstuhlfahrer problemlos die Straße überqueren können. Für Rollstuhlfahrer entpuppten sich oft sogar "Kleinigkeiten", wie eine Straße mit besonders unebenem Pflaster, wovon es in Geisenfeld nicht wenig gibt, zu einem unüberwindbaren Hindernis.

Seit er vor 14 Jahren einen schweren Motorradunfall hatte, sitzt der heute 37-Jährige im Rollstuhl. Von einem Tag auf den anderen hatte sich das Leben des ehemaligen Steinmetz und Fliesenlegers komplett geändert. Heute arbeitet er als technischer Zeichner bei den Stadtwerken Ingolstadt. Um trotz Rollstuhl nicht seine Unabhängigkeit zu verlieren, sei für ihn ein Auto unverzichtbar, denn wenn im Winter Schnee liegt und die Straßen glatt sind, sei es fast unmöglich selbst kurze Strecken, wie den Weg zur Bushaltestelle, zurückzulegen. Autofahren kann er dank der heutigen Technik selber. "Audi hatte damals das Angebot, dass sie den Umbau am Auto bezahlen, wenn man bei ihnen einen Neuwagen kauft. Deswegen bin ich jetzt Audifahrer."

Natürlich ist man als Rollstuhlfahrer von Zeit zu Zeit auch auf seine Mitmenschen angewiesen. Gebäude, die nur über Treppen zugänglich sind, kann Markus Reith nur dann betreten, wenn er getragen wird. "Da kommt es dann schon mal vor, dass die Leute mein Gewicht unterschätzen und ich auf dem Boden lande." Hilfsbereitschaft erfährt Reith von den Menschen zwar schon, allerdings auch oft auf unangebrachte Weise. "Was ich nicht mag ist, wenn die Leute einfach hinlangen. Wenn sie herkommen und fragen, ob sie helfen können, finde ich das okay, aber meistens dauert es länger, die Leute anzuleiten, als es einfach selbst zu machen."

Ein großes Problem sind für Reith Leute, die sich rücksichtslos verhalten, indem sie zum Beispiel ihre Autos auf den Behindertenparkplätzen abstellen. "Die Mindestbreite für einen Behindertenparkplatz beträgt 3,50 Meter. Wenn ich von meinem Rollstuhl ins Auto muss und den Rollstuhl dann ins Auto heben möchte, dann brauche ich den freien Platz an der Seite."

Für ihn ist Fakt: "Bis wir in puncto Barrierefreiheit so weit sind, dass Rollstuhlfahrer die gleichen Freiheiten haben, wie andere, werden noch einige Jahrzehnte vergehen."

Josephine Djabri