Hilpoltstein
Selbstbestimmt zu Hause alt werden

Seniorenpolitisches Gesamtkonzept für den Landkreis Roth vorgestellt – Maßnahmen und Prognosen

06.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:23 Uhr

Mit Aktionen wie dem Sommerabend auf der Försterwiese regt der Hilpoltsteiner Seniorenbeirat die älteren Mitbürger zu mehr aktiver Bewegung an, schafft aber auch zusätzliche Foren für Begegnung und Kommunikation. - Foto: Kofer

Hilpoltstein (HK) Für eine älter werdende Gesellschaft gewappnet sein will der Landkreis Roth. Um den Anforderungen gerecht zu werden, ist in den vergangenen eineinhalb Jahren ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept erstellt worden. Im Sozialausschuss ist es am Dienstag vorgestellt worden.

Neben dem Landratsamt haben die Arbeitsgemeinschaft für Sozialplanung und Altersforschung (AfA) sowie das Institut für Sozialplanung Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS) mitgewirkt. Der Prozess, der letztlich in eine 160 Seiten starke „gewachsene Momentaufnahme“, wie es Landrat Herbert Eckstein ausdrückte, mündete, war sehr aufwendig.

Basierend auf umfangreichen statistischen Daten zur demografischen Entwicklung wurde groß angelegt befragt: 14 der 16 Landkreisstädte, -märkte, -gemeinden und natürlich die älteren Landkreisbürger über 63 Jahre. Die haben im Übrigen den Konzeptmachern eine erstaunliche Rücklaufquote beschert. Von 5595 Fragebögen sind 2938 zurückgekommen – mehr als 50 Prozent. Zum Vergleich: Für Empiriker sind Umfragen ab 1000 Teilnehmern repräsentativ und den meisten Fragebogenaktionen sind gerade einmal zehn Prozent Rücklaufquote beschert. Dazu gab es Expertenworkshops in sieben Landkreiskommunen, darunter Heideck und Hilpoltstein.

Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte mündeten einerseits in Handlungsempfehlungen und andererseits in eine Pflegebedarfsprognose – zusammen das seniorenpolitische Gesamtkonzept. Dabei ist die Pflegebedarfsprognose im Wesentlichen eine Fortschreibung des Status quo in Verbindung mit demografischen Prognosen. Von 1999 bis heute ist die Anzahl der Pflegebedürftigen lediglich von 3127 auf 3435 gestiegen. Während dabei die Pflegegeldempfänger nahezu konstant blieben, hat sich bei der vollstationären und der ambulanten Pflege das Gewicht deutlich in Richtung ambulant verschoben. 1999 waren noch fast zwei Drittel stationär untergebracht, heute ist es nicht einmal mehr die Hälfte – eine Entwicklung, die seitens der öffentlichen Hand nicht nur begrüßt, sondern auch forciert wurde und wird.

Angesichts der Prognosen ist dies allerdings auch notwendig, denn es werden in den kommenden Jahren erheblich mehr Menschen Pflege brauchen. Aktuell sind es 3435 Pflegebedürftige, 2025 werden es 4444 und 2031 schon 4858 sein – ein Anstieg um 48 Prozent. Stationär werden dann 1396 (aktuell 920) Menschen gepflegt, von Angehörigen und ambulant 3462 (2515). Interessant ist hier auch ein Blick auf die Entwicklung bei den Demenzkranken, aktuell sind es rund 1700 Menschen im Landkreis Roth, die dement sind, 2031 werden es 2500 sein.

Generell ist der Landkreis laut Expertenmeinung schon „ein gutes Stück des Weges gegangen“, wie Christian Rindsfüßer von der Afa im Ausschuss erklärte. Deshalb müsse es auch nicht heißen: Wie kann der Landkreis den Anforderrungen der Senioren auf ein selbstbestimmtes Leben künftig gerecht werden? Sondern: Wie kann er den Anforderung noch gerechter werden? So sei der Landkreis mit stationären Angeboten und bei der Kurzzeitpflege schon sehr gut versorgt. Beim ambulanten Angebot sei allerdings „eine qualitative Weiterentwicklung“ notwendig. Ebenso halte man den Ausbau von ambulant betreuten Wohngemeinschaften für notwendig.

Neben diesen Prognosen bietet das Konzept auch konkrete Handlungsempfehlungen. Diese bewegen sich auf sechs Feldern: Kooperation und Vernetzung, Betreuung und Pflege, Wohnen zu Hause, gesellschaftliche Teilhabe, Unterstützung pflegender Angehöriger und bürgerschaftliches Engagement von und für Seniorinnen und Senioren. Bearbeitet wurden diese Themen in Expertenworkshops mit Vertretern aus Politik und Akteuren aus der Seniorenarbeit.

So zeigte sich bei der „Vernetzung“, dass viele in der Seniorenarbeit Aktive, sich vielleicht vom Sehen kennen, jedoch nicht wissen, was der andere macht. Neben verstärkter Internetpräsenz, Ausbau der Kontaktstellen oder Stärkung der Seniorenbeauftragten wird daher vor allem ein Runder Tisch gefordert, an dem regelmäßig alle Protagonisten zusammenkommen.

Einig sind sich nahezu alle Senioren, dass sie so lange wie möglich zu Hause ein selbstbestimmtes Leben führen wollen. Verbunden ist dies mit Wünschen nach besserer Erreichbarkeit der Wohnung, höherer Aufenthaltsqualität, Sicherung der Grundversorgung sowie Hilfen und Unterstützung bei Bedarf. Für Gemeinden, Landkreis und Soziale Träger ergeben sich daraus eine Fülle von Aufgaben: Angefangen bei der „Checkliste“ zur Wohnungsanpassung und zum Aufzeigen von guten Beispielen barrierefreien Bauens über Initiieren von alternativen Wohnangeboten und Vernetzen der Nachbarschaftshilfe bis hin zum Abbau von Barrieren im öffentlichen Raum und Erproben von Anruf-Sammel-Taxis.

Deutlich gemacht hat das Konzept auch, dass die Situation in den Gemeinden durchaus sehr unterschiedlich ist. Beispielsweise ist in Wendelstein oder Schwanstetten der Anteil älterer Menschen ein wesentlich höherer als in Hilpoltstein. Letztlich allerdings nichts grundlegend Neues, wie Landrat Eckstein bilanzierte. Aber „eine kompakte Zusammenfassung“. Jetzt gelte es, die Protagonisten zu aktivieren, jeder sei dabei Impulsgeber. „Wir müssen offen drüber reden und manches ausprobieren.“