Pfaffenhofen
Sein Baby bewahrt Bewährungsversager vor dem Gefängnis

16.02.2021 | Stand 19.02.2021, 3:34 Uhr
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. −Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa/Archivbild

Pfaffenhofen - Bewährungsversager haben vor Gericht schlechte Karten: Wenn sie innerhalb der gesetzten Frist von zwei oder drei Jahren erneut straffällig werden, kann die Bewährung kassiert werden: Sie müssen die ausgesetzte Haft antreten, zu der dann noch die neue Strafe addiert wird.

Dass ein 25-Jähriger, der wegen Beamtenbeleidigung und Schwarzfahren angeklagt war, mit einem blauen Auge davongekommen ist, hat er seinem drei Wochen alten Sohn zu verdanken. Denn der hat sein Leben umgekrempelt.

Der Angeklagte redet nicht groß drum herum: Ja, das stimmt alles, sagt Boris P. (Name geändert), zu dem, was ihm der Staatsanwalt vorgehalten hat. Im März vor einem Jahr war er einer Polizeistreife aufgefallen, weil vor einer Gaststätte rumpöbelte. Als die Beamten seinen Ausweis sehen wollten, brannten bei ihm die Sicherungen durch. Er belegte die jungen Polizisten mit zotigen Schimpfworten. Selbst als man ihm Handschellen anlegte und er in den Streifenwagen verfrachtet wurde, krakeelte er weiter und ließ sich auch auf dem Revier an der Ingolstädter Straße nicht stoppen. Im Gegenteil: Er spuckte um sich, weshalb ihm die Beamten eine Spuckschutzhaube überstreiften, quasi ein Ganzkopf-Mundschutz.

"Sie standen unter Bewährung", stellt Amtsrichterin Nicola Schwend fest. "Das hab' ich in dem Moment vernachlässigt", sagt Boris P. "Wie ist es denn dazu gekommen", fragt die Richterin. "Ich weiß es nicht. " - "Haben Sie ein Problem mit der Polizei? " - "Nein. " - "Waren Sie sauer? " - "Auch nicht. Das passiert mir immer, wenn ich was getrunken habe. " - "Haben Sie ein Alkohol-Problem? " "Das hatte ich", gesteht der 25-Jährige, "aber als meine Frau im April schwanger wurde, da haben wir beide beschlossen, nichts mehr zu trinken. " "Und jetzt", will die Richterin wissen, "wenn Sie Stress haben? " Denn ein Baby könne ja durchaus an den Nerven zerren. "Ich trink' nix mehr", beteuert Boris P.

Das Gericht hat die vier Polizisten als Zeugen vorgeladen. Sie alle haben den Vorfall nicht zur Anzeige gebracht, sondern eine vorgesetzte Dienststelle. "Der Angeklagte", sagt eine junge Polizistin, "war stark alkoholisiert. " 1,6 Promille wurden bei ihm festgestellt. Und außerdem habe sie, wie auch ihre Kollegen, den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte die Beamten nicht gezielt beleidigt habe, sondern seine Kraftausdrücke eher unkontrolliert in die Runde schleuderte.

Und weil Boris P. jetzt schon mal vor Gericht sitzt, wird auch eine weitere Straftat verhandelt: Viermal wurde er auf der Fahrt von Pfaffenhofen nach Ingolstadt im Regio von Kontrolleuren ohne Fahrschein angetroffen. Das ist dann irgendwann kein Kavaliersdelikt mehr.

Der 25-Jährige, der schon sechsmal vor Gericht stand, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Drogenmissbrauch und Angriff auf Vollstreckungsbeamte, will reinen Tisch machen: "Die Geburt war für mich eine Wende. Ich will ein neues Leben anfangen und meinem Sohn ein guter Vater sein. " Er wendet sich an die vier Polizisten, die nach ihrer Vernehmung im Zuschauerraum Platz genommen haben: "Es tut mir sehr leid, ich entschuldige mich. " Die Beamten nicken.

Die Reue nimmt ihm auch der Staatsanwalt ab. "Er versucht, ein besserer Mensch zu sein", stellt er in seinem Plädoyer fest und beantragt eine Bewährungsstrafe von neun Monaten. Die Verteidigerin legt nach: Ihr Mandant wisse um das Unrecht, das er begangen hat. Aber sein Leben habe, seit er weiß, dass er Vater wird, eine Wende genommen. Selbst sein Bewährungshelfer habe ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt und bitte darum, ihm noch einmal eine Chance zu geben.

Die gewährt ihm die Amtsrichterin: Sie verurteilt ihn zu sechs Monaten Haft auf Bewährung mit der Auflage, sich einem Gesprächskreis von Alkoholikern anzuschließen. Auch wenn Boris P. seit April trocken sei und das auch bleiben will, bestehe die Gefahr, "dass man zur Selbstüberschätzung neigt". Ein Baby sei ein Stressfaktor, und dann sei es gut, wenn der junge Vater einen Anknüpfungspunkt habe.

PK