Eichstätt
Seelsorger, Verleger und Buchdrucker

Vor 90 Jahren kamen die Salesianer in Eichstätt an und fanden auf der Willibaldsburg ihre erste Bleibe

11.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:34 Uhr

Aufbau und Betreuung der Eichstätter Pfadfindergruppe Sankt Georg waren in den 1930er Jahren ein großes Anliegen der Salesianer. Das Bild entstand 1938. Reproduktion:je

Eichstätt (EK) Vor 90 Jahren trafen die ersten Salesianer in Eichstätt ein, und sie sind – Gott sei Dank – noch da. Ihre erste Bleibe fanden sie auf der Willibaldsburg, bevor sie schließlich im Eichstätter Rosental ihren Sitz nahmen.

Es gibt Bereiche des öffentlichen Lebens, die mit dem Orden der Salesianer in Eichstätt eng verbunden sind. Da sind zum einen die Pfadfinder St. Georg, die in den 1930-er Jahren auf der Willibaldsburg bei den Ordensleuten ihre Heimat fanden. Dann war es Bruder Felix Hartinger, der mehr als einer Generation von Schriftsetzern und Buchdruckern die Grundlagen ihres Berufs beibrachte. Und nicht zuletzt ist da noch die Pfarrei Heilige Familie, deren Seelsorger aus dem nahen Rosental, quasi über der Altmühl drüben, kamen.

„Mit großer Liebenswürdigkeit“ wurden die ersten jungen Brüder, angeführt von Pater Matthias Schießl, von Bischof Johannes Leo von Mergel (1905 bis 1932) und Regens Michael Rackl am 10. Oktober 1923 im Priesterseminar aufgenommen. Sie studierten an der damaligen Theologischen Hochschule.“ Das hat Franz Wehrl im Buch über Franz Reisinger, der in Eichstätt so segensreich wirkte, festgehalten.

ANNO DAZUMAL

Die damalige Zeit lässt sich mit heute nicht vergleichen: Die Gemeinschaft der Salesianer wuchs rasch, und im Priesterseminar wurde es bald zu eng für sie. Zum Glück wurde ein neues Quartier im Spitalhof der Willibaldsburg gefunden, für zehn Jahre vom bayerischen Staat angemietet und bezogen. Im Mittelpunkt stand die Arbeit für die Jugend. So wurde ein Schülerheim eingerichtet und die aufstrebende Pfadfindergruppe betreut, die damals wie heute viele Kinder und Jugendliche begeistert.

Im Sommer 1927 kam Pater Franz Reisinger nach Eichstätt. Der 1890 in Wien geborene Reisinger war von 1937 bis 1949 Provinzial, 1946 wurde er Ritter der französischen Ehrenlegion. Er war Priester, Verleger, Übersetzer und Schriftsteller. In Eichstätt übernahm er die Leitung des Ordenshauses mit 27 Sodalen. Auf seine Idee ging im Dezember 1931 die Anmeldung des Franz-Sales-Verlags mit eigener Druckerei auf der Willibaldsburg beim Eichstätter Gewerbeamt zurück. Schriftleitung und Druck der Ordenszeitschrift „Das Licht“, eine Wiener Gründung aus dem Jahr 1906, wurden nach Eichstätt verlegt. Die Auflage kletterte auf rund 30 000.

Den Nationalsozialisten waren Arbeit und Erfolge der Salesianer ein Dorn im Auge. „Licht“-Hefte wurden beschlagnahmt, die Herausgabe des „Christkönigsboten“ untersagt, Hausdurchsuchungen vorgenommen. Schließlich wurde den Ordensleuten ihr Domizil hoch über der Stadt gekündigt. Sie fanden eine neue Bleibe im Rosental, in das sie ab 1. April 1937 einzogen. Um sich unabhängiger versorgen zu können, pachteten sie in Oberemmendorf einen Bauernhof.

Die Salesianer konnten sich über Nachwuchs an Priestern nicht beklagen: Am 29. Juni 1939 wurden 18 Oblaten geweiht. Ein Tiefschlag kam am 12. September 1939, als von der Reichspressekammer „Das Licht“ eingestellt wurde. Viele Ordensleute wurden zur Reichswehr eingezogen. 1944 war das Ordenshaus Rosental eine Kaserne: Über 500 SS-Leute (SS: nationalsozialistische Schutzstaffel) wurden einquartiert; am 25. April 1945, als amerikanische Soldaten Eichstätt besetzten, zogen sie ab. Die letzten noch verbliebenen Salesianer waren im Gasthof Krone in der Wohnung des Prälaten Professor Josef Gmelch untergekommen.

Nach Kriegsgräuel und menschenverachtender Diktatur begann im Rosental das Ordensleben neu. Am 10. September 1945 wurden die Gelübde erneuert. Viele Schüler meldeten sich und wurden durch Privatunterricht zum Abitur geführt. Ausbaupläne für das Rosental wurden geschmiedet. In Ingolstadt übernahmen die Oblaten das Tillyheim für Lehrlinge und Schüler und gründeten die KIM-Bewegung zur Förderung von Priester- und Ordensberufen sowie kirchlicher Mitarbeiter (KIM: Kreis junger Männer). 1950 kam der erste Ministrantenkalender heraus mit der beachtlichen Auflage von 100 000 Exemplaren.

Die Ordensleute engagierten sich in der Studentenseelsorge an der Universität Eichstätt und übernahmen Aufgaben in der Pfarrseelsorge. Das Rosental wurde ein geistliches Zentrum der Österreichisch-Süddeutschen Provinz. Im „Salesianischen Institut“ wird wissenschaftliche Forschung über Franz von Sales und seine Lehre betrieben. In einer modernen Druckerei klapperten die Setzmaschinen, liefen die Druckautomaten und Buchbindegeräte auf Hochtouren. Das Ende des Buchdrucks im Rosental wurde wohl durch den Brand in den Werkstätten am 5. Dezember 1981 eingeläutet. Schluss war 1988. Dafür eröffneten die Salesianer 1991 durch Übernahme von „Kyrios“ eine Versandbuchhandlung. Der Franz-Sales-Verlag bestand weiter, Leiter wurde 1994 Pater Herbert Winklehner. Damit waren die Ordensleute ganz im Sinne ihres Gründers tätig: Der heilige Franz von Sales ist Patron der Journalisten und Schriftsteller.

Zu den großen Baumaßnahmen in der Nachkriegszeit zählen die Aufstockung über dem Speise- und Studiersaal 1956. Die Kapelle wurde am 29. Januar 1960 von Bischof Joseph Schröffer geweiht, und im folgenden Jahr wurde im Wald hinter den Gebäuden ein Ordensfriedhof angelegt. Das Bienenhaus musste für ein Wirtschaftsgebäude weichen.

Unvergessen ist in Eichstätt Pater Leopold Mühringer, der 1972 Pfarrer der Heiligen Familie wurde. Zu den Seelsorgerpersönlichkeiten zählte auch Pater Alfred Blöth, der den Osten der Stadt mit Pfünz betreute. 1974 wurde Pater Alois Bachinger Hochschulpfarrer. Die Studierenden der Eichstätter Universität waren Ordensleuten ein Anliegen: Im angegliederten Studentenwohnheim boten sie rund 40 jungen Leuten ein Unterkommen und ruhige Studiermöglichkeit. Das Heim ist seit ein paar Jahren geschlossen, da eine Generalsanierung ansteht. Der Eichstätter Niederlassung gehören derzeit sechs Geistliche und fünf Brüder an.

Die Salesianer erwarben sich große Verdienste um die Mission, vor allem im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika, dem heutigen Namibia. Als Beispiel soll auf den Eichstätter Pater Sixtus Pfaller verwiesen werden, der die Missionsstation Mater Dolorosa in Aroab von 1950 bis 1973 leitete.

Ihr 90-jähriges Bestehen feiern die Salesianer an diesem Samstag. Ab 10 Uhr findet eine Wallfahrt von der Willibaldsburg zum Domizil im Rosental statt. Gegen 12. 45 Uhr wird dort dann Gottesdienst gefeiert.