München
Seehofers "Journalisten-Streichler"

Der Ingolstädter Jürgen Fischer ist Pressesprecher und Büroleiter des CSU-Chefs und einer seiner wichtigsten Vertrauten

05.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:33 Uhr

Foto: DK

München (DK) Kaum einer ist näher dran an Horst Seehofer: Der Ingolstädter Jürgen Fischer ist einer der engsten Vertrauten des Ministerpräsidenten. Als "rechte Hand" sieht er sich aber nicht.

Die Choreografie hat sich fest eingespielt. Wenn Horst Seehofer bei einer CSU-Veranstaltung vor die Kameras tritt, platziert sich ein weiteres bekanntes Gesicht zu seiner Linken. Generalsekretär Andreas Scheuer muss dann minutenlang ernst über die Schulter des Parteivorsitzenden blicken - oder bei einem Seehofer-Scherz pflichtbewusst lachen. Auf der anderen Seite findet sich dagegen jedes Mal ein weitgehend unbekanntes Gesicht. Die rechte Flanke Seehofers wird stets von einem kleinen Mann mit kurz geschorenem grauen Haar abgedeckt.

Obwohl dieser Mann in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, handelt es sich um einen der wichtigsten Mitarbeiter und engsten Vertrauten Seehofers. Der gebürtige Ingolstädter und frühere DONAUKURIER-Redakteur Jürgen Fischer ist Pressesprecher und seit 2016 auch Büroleiter des Parteichefs.

"Er kennt mich lange und ich ihn. Das sind beste Voraussetzungen", hatte Seehofer schon bei der Berufung Fischers gesagt. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen den beiden noch deutlich enger geworden. Fischer bezeichnet sich selbst gern als "Seehoferianer" und "absolut loyal", über seinem Schreibtisch in der CSU-Landesleitung prangt ein großes Seehofer-Porträt. "Es geht mir um seinen Erfolg, nicht um meinen", sagt er. Laut Seehofer sind sein eigenes Schicksal und das der CSU aber eng mit Fischer verknüpft: "Die Erfolge, die wir haben, sind auch seine Erfolge - insbesondere auch der Erfolg bei der Landtagswahl 2013", sagt er über Fischer. Sein Sprecher gehöre zu seinem engsten Stab - zuverlässig, bestens qualifiziert, menschlich sehr angenehm, so charakterisiert der CSU-Vorsitzende Fischer.

Der will seine Rolle selbst aber dennoch nicht überbewerten. Obwohl es Fischer sonst nicht an Selbstbewusstsein mangelt, will er vom Begriff "rechte Hand" des Parteichefs nichts wissen. Der 57-Jährige bezeichnet sich lieber als "eines von vielen Rädchen im ganzen Mechanismus", die funktionieren müssten, um die Arbeit "des Chefs" - wie er Seehofer stets nennt - zu unterstützen. Ratschläge gebe er dem Ministerpräsidenten nicht, das habe dieser von ihm gar nicht nötig. Er liefere nur Informationen. In der Partei sehen das einige anders. Näher dran an Seehofer sei kaum jemand, Fischers Stimme habe durchaus Gewicht, heißt es. "Rechter Arm trifft es eher als rechte Hand", sagt einer, der selbst zu Seehofers Verbündeten zählt.

Fischer und Seehofer kennen sich seit vielen Jahren. Fischer ist ein Urgewächs des DONAUKURIER, hat bei unserer Zeitung schon 1988 ein Praktikum und anschließend sein Volontariat gemacht. Als redaktioneller Krankenkassenexperte haben sich seine Wege mit dem Gesundheitspolitiker Seehofer schon vielfach gekreuzt, als dieser noch als Bundestagabgeordneter in Bonn saß. Bis 2009 arbeitete Fischer als Landtagskorrespondent in München. "Ich war mit Leib und Seele Journalist", sagt er. "Ein Wühler." Ein glühender Schwarzer, betont Fischer, sei er aber nicht von Anfang an gewesen.

Daraus, dass er aber schon früher viele Ansichten Seehofers teilte und an dessen Seite Schlachten schlug, macht er aber keinen Hehl. Gegen die Kopfpauschale beispielsweise, wegen der Seehofer einst als Vizevorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion zurücktrat, habe er in der Kommentarspalte aus Überzeugung angeschrieben. Als es 2008 um die Nachfolge des Duos Beckstein/Huber ging, appellierte Fischer leidenschaftlich für Seehofer.

2009 trennten sich die Wege von Fischer und seiner Heimatzeitung. Für ihn "im Nachhinein betrachtet ein Glücksfall". Denn kurz darauf heuerte er in der CSU-Landesleitung an, zunächst als "Beauftragter für Strategiefragen", später als Pressesprecher. Inzwischen koordiniert er auch Seehofers Kalender und ist bei allen wichtigen Parteiterminen wie den Koalitionsgipfeln in Berlin dabei. Den Posten als Seehofers Büroleiter sieht er als "echte Auszeichnung".

Zu Fischers wichtigsten Aufgaben gehört aber vor allem etwas, was nicht unbedingt zu Seehofers eigenen Kernkompetenzen zählt - das "Journalisten-Streicheln", wie er es selbst nennt. Als ehemaliger Reporter könne er die Bedürfnisse von Medienvertretern besser einschätzen und verstehen als ein Jurist oder Karrierebeamter. Und aufs "Journalisten-Streicheln" versteht sich Fischer tatsächlich wie kaum ein anderer. In Gesprächen verteidigt und erläutert er unaufhörlich die Politik "des Chefs", erklärt dessen Launen, wenn wieder einmal ein Pressevertreter brüsk abgekanzelt wurde, und gibt Einblicke ins Seelenleben der Partei. Was Fischer in seinem Job zugutekommt: Er ist ein ausdauernder Händeschüttler. Hier ein Plausch, dort ein kurzes Wort und wenn nötig eine kleine Information - das ist Fischers Welt.

Trotz seiner engen Verbindungen zu Seehofer, mit dessen Kindern er sich auch mal privat trifft, sieht er sich nicht als Freund des Regierungschefs: "Wir verbringen nicht unsere Freizeit zusammen." Gemeinsame Interessen wie die Unterstützung für den FC Ingolstadt gibt es aber.

Fischers sportliche Leidenschaft geht aber noch deutlich weiter: Seine persönliche Marathonbestleistung liegt bei 3.51 Stunden. Das Ziel lautet 3.45 Stunden. Dazu bräuchte er aber mehr Training. Ab 2019 - wenn Bundes- und Landtagswahl vorbei sind - will er wieder angreifen. Ob er dann sogar noch mehr Zeit hat, weil er vielleicht nicht mehr Seehofers Büro leiten muss, dazu will er keine Prognosen abgeben. Ob "der Chef" noch einmal antrete, das wisse auch er nicht. Bei dieser Entscheidung ist also nicht einmal einer der engsten Vertrauten eingebunden.