München
Seehofer macht es spannend

Der CSU-Chef hat den Kampf um seine Ämter noch nicht aufgegeben - doch der Druck auf ihn wächst

07.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:54 Uhr
Horst Seehofer −Foto: Christof Stache (AFP)

München (DK) Es gibt Ereignisse, von denen man sicher weiß, dass sie passieren werden, aber nicht genau weiß, wann das sein wird.

Der Rücktritt von Horst Seehofer ist so ein Ereignis - und kurze Zeit sah es gestern so aus, als ob die Sache jetzt klar wäre: Die "Zeit" meldete unter Berufung auf "Vertraute" Seehofers, der werde am Wochenende als CSU-Chef zurücktreten. Von "selbstbestimmt abtreten" war die Rede, von "Loslassen" und von Erleichterung, dass er "nicht auch auf Merkels Männerfriedhof gelandet ist". Im Übrigen wolle er aber als Bundesinnenminister weitermachen.

Die Meldung war nicht völlig unplausibel: Denn in der Tat treffen sich die oberste Partei-Führung und die CSU-Bezirkschefs am Sonntag - allerdings, um das neue Bayern-Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) abzusegnen. Seehofer selbst hatte ursprünglich erklärt, erst nach der Vereidigung der neuen Staatsregierung, die für Montag geplant ist, über seine politische Zukunft reden zu wollen. Dass er den Bezirkschefs schon mal ein Signal gibt, wohin die Reise geht - es wäre durchaus nicht unangemessen.

Doch kaum war die Meldung vom Seehofer-Rücktritt auf dem medialen Markt, wurde sie auch schon wieder einkassiert: "Es bleibt bei dem von Horst Seehofer selbst angekündigten Fahrplan", teilte ein CSU-Sprecher mit. Seehofer selbst sagte der "Welt", bei der Meldung handle es sich um eine "fette Ente". Will heißen: Vor Dienstag will Seehofer nichts sagen.

Dass er um seine Ämter kämpft, gilt in der CSU längst als ausgemachte Sache: Schon nach dem historisch schlechten Wahlergebnis bei der Europawahl sprach Seehofer zwar davon, die Verantwortung zu übernehmen und verstanden zu haben, doch persönliche Konsequenzen zog er nicht. Wortgleich, was Verantwortung und Verstehen angeht, äußerte Seehofer sich auch nach dem CSU-Fiasko bei der Bundestagswahl. Doch wiederum war er nicht von sich aus zu Konsequenzen bereit, in wochenlangem Zerren rang man ihm ab, das Amt des Ministerpräsidenten zu räumen. Seehofer blieb Parteichef - und legte sich das Amt des Bundesinnenministers im Berliner Kabinett zu.

Trotz seiner zahlreichen Querschüsse aus Berlin wollte er nun auch nichts mit dem historisch schlechten Wahlergebnis bei der Landtagswahl zu tun haben. Stattdessen sprach er zeitweilig davon, dass auch deutlich bessere Ergebnisse für die CSU möglich wären, und dass immer dann, wenn es parteiinterne Revolten gegeben habe (so wie einst von Erwin Huber und Günther Beckstein gegen Edmund Stoiber und nun von Markus Söder gegen ihn) die Wähler die Partei dafür abstraften.

Tatsächlich berichten Seehofer-Vertraute davon, er sehe nicht ein, warum er alleine für das Landtagswahl-Fiasko büßen solle - schließlich seien alle Entscheidungen vom CSU-Vorstand getroffen worden. Folglich müsse der gesamte Vorstand zurücktreten. Derlei würde bedeuten, dass Seehofer darauf spekuliert, dass der Vorstand (der sich oft genug über dessen autokratischen Führungsstil beschwert hat) selbstverständlich nicht geschlossen zurücktritt - und er folglich im Amt bleiben könne.

Auch, dass er (wie die "fette Ente" gestern es besagte) im Amt des Bundesinnenministers bleiben wolle, klingt für viele in der CSU plausibel. "Als Vorsitzender ist er schon abgeschrieben", echauffierte sich gestern ein Vorstandsmitglied, und: "Er klammert sich an den Bundesinnenminister, obwohl er da den größten Schaden für die Union angerichtet hat. "

Stellt sich die Frage, wie es überhaupt zu der gestrigen Falschmeldung kam - sofern es überhaupt eine ist. Seehofer selbst jedenfalls hat kein Interesse an einer solchen Meldung. Bliebe sein schärfster Konkurrent: Söder. Die Gelegenheit, Druck auf Seehofer aufzubauen ist günstig - weil der gerade auf dem Weg nach Helsinki ist, zusammen mit CSU-Vize und Europaparlamentarier Manfred Weber. In Helsinki entscheiden die Europäischen Volksparteien (EVP) über die Spitzenkandidatur für die Europawahl im kommenden Frühjahr und damit über die potenzielle Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker. Weber werden große Chancen eingeräumt.

Andererseits: Söder hat jetzt jahrelang erklärt, mit Berlin nichts, aber auch gar nichts am Hut zu haben - doch als Parteichef käme er an regelmäßigen Besprechungen (und womöglich Übernachtungen) in der Bundeshauptstadt nicht vorbei.

Weber wiederum, so wird es in München kommuniziert, sei nicht geeignet als CSU-Parteichef: Bleibe seine EVP-Spitzenkandidatur erfolglos, habe er wenig Strahlkraft, sei sie hingegen erfolgreich und Weber werde tatsächlich Kommissionspräsident, müsse er den CSU-Vorsitz abgeben (angeblich, weil die Kommissions-Satzung nicht gestatte, parallel ein Amt als Parteivorsitzender innezuhaben). Dann ist da noch der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe in Berlin, Alexander Dobrindt. Der gilt als hervorragender Analytiker und "Herzpflanzerl" von Seehofer, wie einer sagt. Doch innerhalb der CSU verfügt er über keinerlei Truppen.

Ein paar Tage lange bleibt die Sache also noch spannend. Und vielleicht geht am Ende Seehofers Zeitspiel sogar auf.

Alexander Kain