Pfaffenhofen
Sechs Monate mehr

51-Jähriger wehrt sich gegen Festnahme: Gefängnis-Nachschlag

31.07.2020 | Stand 25.10.2023, 10:34 Uhr

Pfaffenhofen - Der Angeklagte wird von zwei Polizisten in den Gerichtssaal geführt - sie haben ihn aus der JVA Aichach nach Pfaffenhofen gebracht, wo er seit acht Monaten einsitzt.

Nach einer Stunde Verhandlungsdauer steht fest: Aus seiner Entlassung im November wird nichts. Das Gericht brummt ihm einen Nachschlag von sechs Monaten auf wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und fahrlässiger Körperverletzung.

Für Ivo M. , 51, (Name geändert), ist auch dieses Urteil zutiefst ungerecht. Weil er gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen hatte, kamen vor acht Monaten Polizisten mit einem Vollstreckungshaftbefehl, wollten ihn festnehmen und ins Gefängnis bringen. Ivo M. , der bis dahin seit 15 Monaten in einer therapeutischen Einrichtung im Landkreis lebte, sagt, er habe bloß darum gebeten, statt seiner Badeschlappen feste Schuhe anziehen zu dürfen, dann würde er freiwillig mitkommen. Die beiden Polizisten und auch der Leiter der Einrichtung haben das anders erlebt: Ivo M. habe sich strikt geweigert und ständig von Unrecht geredet, und überhaupt sei seine Ex-Frau an allem schuld. Als die Beamten ihm androhten, ihm Handschellen anlegen zu müssen, habe er die Armmuskeln angespannt. Die Aktion der Beamten, die ihn an den Handgelenken festhielten und versuchten, seine Beine auseinanderzudrücken, damit er den Halt verliert, ging daneben, schildert es einer der beiden Polizisten als Zeuge. Ivo M. drehte sich, alle drei gingen sie zu Boden, zuunterst lag einer der beiden Polizisten, der sich dabei den Fuß brach und nur unter großen Schmerzen sein Bein unter Ivos Körper hervorziehen konnte. Ivo M. dagegen sieht sich als Opfer. Er sei mit dem Kopf gegen die Wand geknallt worden. "Ein solches Verhalten der Polizei habe ich nicht erwartet. " Seine linke Schulter sei ausgerenkt worden, und dennoch habe man ihn auf den Rücken geschlagen, sechs Bandscheiben seien "vernichtet" und sein linkes Bein verletzt worden.

Ivo M. , groß, kräftig, kahl rasierter Schädel, legt das Bein auf die Anklagebank, zieht das Hosenbein hoch, öffnet das Hemd, entblößt die Schulter und bietet sich Richterin und Staatsanwältin als praktisches Anschauungsobjekt an. "Sie können angezogen bleiben", sagt Amtsrichterin Nicola Schwend. "Waren Sie denn bei einem Arzt? " "Natürlich", sagt Ivo M. "Und? " "Er hat mir Schmerztabletten verschrieben. " Gegen sechs zerstörte Bandscheiben und eine ausgekugelte Schulter? Die Frage, die sich aufdrängt, bleibt unbeantwortet. Die Verletzungen des Polizisten waren deutlich dramatischer. Drei Monate war der Beamte wegen des gebrochenen Fußes krankgeschrieben, im November, sagt er als Zeuge, müsse er erneut operiert werden.

Für die Staatsanwältin ist die Sache eindeutig: Der Angeklagte hat sich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht, auch wenn er die Verletzung wohl nicht beabsichtigt habe. Sie fordert 16 Monate Haft, Bewährung ausgeschlossen. Die hat Ivo M. ohnehin schon verspielt. "Ich wusste ja", sagt er, "dass irgendwann die Polizei kommt und mich festnehmen und ins Gefängnis bringen wird. " Er war wegen Körperverletzung zweimal zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, ignorierte allerdings die Bewährungsauflage. 80 Stunden gemeinnützige Arbeit hätte er ableisten müssen, was Ivo M. nicht so recht einsah, weil er das Urteil als Unrecht empfand.

Die Verteidigerin sieht die Sachlage "ziemlich anders": Sich zu entziehen sei keine Gewalt, die Verhaftung sei "dumm gelaufen". Sie fordert, ihren Mandanten freizusprechen. Ziemlich anders sieht das allerdings auch Amtsrichterin Nicola Schwend. Ein Verspannen sei nicht ein passiver, sondern ein aktiver Widerstand. Sie verurteilt den Angeklagten wegen Widerstands und fahrlässiger Körperverletzung zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung. "Ich sehe bei Ihnen keine positive Sozialprognose", erklärt sie dem Angeklagten in ihrer Urteilsbegründung. "Sie suchen die Schuld immer bei anderen. "

DK

Albert Herchenbach