München
Schwimmbäder vor dem Untergang?

Urteil des Bundesfinanzhofs dürfte zu höheren Eintrittspreisen führen - oder zur Schließung von Anlagen

31.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:14 Uhr
Badespaß in Neuburg: Der Eintritt in das städtische Parkbad ist günstig. Möglich macht das die Auslagerung in die Stadtwerke, wo die Verluste des Schwimmbadbetriebs durch Gewinne in anderen Bereichen ausgeglichen werden können. Außerdem spart die Stadt dadurch Steuern. Doch damit könnte bald Schluss sein. −Foto: Rein

München/Neuburg (DK) Bayerns Kommunen müssen eine für sie heikle Entscheidung des Bundesfinanzhofs verdauen.

Die Richter urteilten, dass es nicht mit EU-Recht vereinbar ist, wenn Kommunen defizitäre Eigenbetriebe in eine Tochtergesellschaft auslagern, um dort die Verluste mit anderweitigen Gewinnen zu kompensieren. Damit sinken dort die Gewerbe- und die Körperschaftssteuern, was bei der betroffenen Stadt wiederum den Vorteil hat, weniger Kapitalertragssteuer zahlen zu müssen.

Ein Beispiel aus Neuburg: Das Hallen- und das Freibad der Stadt machen nach Angaben von Stadtsprecher Bernhard Mahler pro Jahr mehrere Millionen Euro Verlust. Gleiches gilt auch für den Stadtbus und die Parkhausanlage. Das ist insoweit verkraftbar, weil die Kommune beide Einrichtungen in die Stadtwerke ausgelagert hat. "Unsere Steuerersparnis beträgt dadurch pro Jahr rund 400 000 Euro", so Mahler.

Der Bundesfinanzhof hatte diese Vorgehensweise schon 2007 kritisiert. Hintergrund war der Fall einer Kommune aus Mecklenburg-Vorpommern, die gegen das Finanzamt geklagt hatte, weil dieses die Verluste der Stadtwerke nicht anerkennen wollte. Doch der Bundestag hatte 2009 diese Praxis noch mal ausdrücklich erlaubt. Allerdings versäumte die Bundesregierung, die Neuregelung des Körperschaftsteuergesetzes der EU vorzulegen. Das Ganze sei eine verbotene Staatsbeihilfe, urteilten die Richter am Bundesfinanzhof jetzt. Um auf Nummer sicher zu gehen, legten sie die Rechtsfrage auch dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vor, mit der Bitte, diese verbindlich zu klären. Sollte der EuGH zu der gleichen Einschätzung kommen, dürften die Kommunen diese Praxis nicht mehr fortsetzen.

Was folgt daraus? Nehmen wir noch einmal das Beispiel des Neuburger Hallenbads. Der Eintritt kostet dort für Erwachsene 2,50 Euro für eine Stunde, ganztägig neun Euro. Jugendliche kommen noch mal günstiger rein, Kinder unter sechs Jahren sogar kostenlos. Unter Betriebswirten ist es unstrittig, dass man zu diesem Preis nicht gewinnbringend wirtschaften kann. Einen höheren Eintritt wollen Neuburg aber auch andere Kommunen jedoch nicht verlangen, damit sich auch Rentner und sozial Schwache dieses Vergnügen leisten können. Noch gar nicht geklärt ist in diesem Zusammenhang, ob das 120 Millionen Euro schwere neue Förderprogramm des Freistaats für marode kommunale Schwimmbäder nicht auch eine unzulässige Beihilfe ist.

Nun ist der Betrieb von Schwimmbädern keine Pflichtaufgabe für Städte und Gemeinden. Im schlimmsten Fall haben die Bürger eben Pech und die Anlage schließt. Aber das Diktum des Bundesfinanzhofs erstreckt sich ja noch weiter. Unzulässig sei die bisher angewendete Praxis auch für den öffentlichen Personennahverkehr und den Betrieb von Kindergärten. Doch diese sind eine Pflichtaufgabe, der Betrieb muss aufrechterhalten werden. Den Kommunen wird also nichts anderes übrig bleiben, als die Gebühren kräftig zu erhöhen. Oder sich zu verschulden. Und richtig teuer kann es werden, wenn die Kommunen noch dazu verdonnert werden, die bisherigen Steuervorteile zurückzuzahlen.

Der Bayerische Städtetag ist alarmiert. Ein endgültiges Urteil wird zwar noch eine Weile dauern. Sollten die Luxemburger Richter aber hart bleiben und die Sicht des Bundesfinanzhofs teilen, bedeute das für die Kommunen nichts Gutes, sagt Geschäftsführer Bernd Buckenhofer. "Ohne zusätzliche Einnahmen wird es dann wohl in vielen Bereichen nicht funktionieren. "

Das bestätigt auch Bernhard Mahler: "Uns würde es extrem hart treffen, wir müssten mit Rückzahlungen von vier bis fünf Million Euro rechnen", sagt der Sprecher der Stadt Neuburg. Und was es für die Zukunft von Bädern und ÖPNV bedeutet, wage ich mir gar nicht vorzustellen. "

Andre Paul