Hape
Schwierige Kindheit

Entertainer Hape Kerkeling blickt zurück

25.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:56 Uhr

Hape Kerkelings Buchtitel „Ich bin dann mal weg“ wurde nicht nur zu einer Redensart, es stürmte die Bestsellerlisten. Nun gibt es ein zweites Buch des Comedians – er beschreibt darin seine Kinderjahre im Ruhrpott.

Das hätte er besser gelassen, denn so genau will das alles wohl nicht einmal ein Fan von ihm wissen: Wie Gustav Heinemann den Knirps bei seiner Weihnachtsansprache vor den Fernseher bannte, wie der Junge von Oma Änne auf seinen dringlichen Wunsch hin als Prinzessin verkleidet auf den Karnevalsumzug geht, wie Klein-H.P. beim Schuleignungstest eine Stand-up-Einlage mit „Siiil-ke“ gibt. Langweiliger als Mütter, die über ihre begabten Kinder referieren, sind nur noch groß gewordene Kinder, die diesen Part gleich selbst übernehmen.

Die Sprache, in der sich das Buch über den Leser ergießt, hat dabei offensichtlich nie einen Lektor gesehen – und sie nervt. „Aber hallo!“ brüllt es hier an allen Enden, die Küchenpsychologie feiert rauschende Besäufnisse, und Plattitüden aus fünf Jahrzehnten mäandern über die Buchseiten, die vereinzelt mit Prominenten garniert werden. Dazu das Schielen auf die Nachwelt: „Dieser Familie werde ich einmal viel zu verdanken haben“, sinniert er über die Eltern seines Schulfreundes und „Lieber Himmel, wie hast du das bloß geschafft, mein Junge“, lässt er Oma jauchzen, wenn sie – Erfüllung ihres Lebenswunsches – den Enkel seine erste Show ankündigen hört.

Man schwankt zwischen Grauen und Schrecken: Der arme Mann muss mit fast 50 Jahren seine Kindheit so stark mit Witz und Ausrufezeichen zuckern, damit er sie überhaupt aushält. Mitleid ist dann auch das Gefühl, das zurückbleibt, denn Hape Kerkeling will ja (wer will das nicht) vor allem geliebt werden, und ihn hat es schlimm erwischt: Seine Mutter hat sich, als er acht Jahre alt war, aus einer lange dauernden Depression heraus selbst getötet – allein mit dem ahnungslosen Kind in der Wohnung, das sie vor dem Fernseher geparkt hatte. Ein Trauma in einer Kindheit, die auch sonst einige schwarze Seiten hat: ein abwesender Vater, problematische Verwandtschaft, Arbeit und Krankheiten, moppeliges Außenseitertum und die Ahnung des Andersseins.

Dass Kerkeling überhaupt so munter und schlagfertig durch das Leben geht und nicht depressiv mit einer Pulle Bier in der Hand vor dem Fernseher gestrandet ist, ist an sich ein kleines Wunder. Sicher wäre aber der sonst so pointensichere Entertainer besser beraten gewesen, wenn er den Versuch unterlassen hätte, dieses Wunder auf Buchseiten zu pressen.

Hape Kerkeling: Der Junge muss an die frische Luft. Meine Kindheit und ich. Piper-Verlag, 311 Seiten, 19,99 Euro.