Schwere Zeiten für Hotzenplotz und Pippi

03.03.2011 | Stand 03.12.2020, 3:05 Uhr

Seit der Nacht ihrer Geburt ist die Matthisburg nach einem Blitzschlag in zwei Hälften gespalten – aber Birk (Diana Mörz) und Ronja (Melanie Renz) gelingt es, den Abgrund zu überwinden . - Foto: Theater

München (DK) Die Stars hier heißen Pippi, Hotzenplotz oder Traumfresserchen und sind allseits bekannt – doch das Münchner Theater für Kinder kommt in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vor: Es plakatiert nicht, wirbt höchstens mit unauffälligen Zettelchen, die als Ermäßigungsgutscheine aufgemacht sind, verkauft keine Karten übers Internet, und man kann an dem Haus in der Dachauer Straße vorbeifahren, ohne dort ein Theater zu vermuten.

In der Zeitung liest man von dieser Spielstätte, die doch teilweise zweimal täglich bis zu 355 Kinder zu Gast hat, konsequent dann, wenn das Wasser ihr wieder mal bis zum Hals steht, denn eine ständige finanzielle Förderung hat Theaterdirektor und Bundesverdienstkreuzträger Heinz Redmann bisher genauso wenig erreichen können wie eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Und das ist vielleicht schon wieder ein Teil des Problems: Dramatische Rettungsaktionen häufen sich in den letzten Jahren so sehr, dass man fast verwundert feststellt, dass es das Traditionshaus (begründet 1967) überhaupt noch gibt. Doch diejenigen, die es angeht, lassen sich vom Rauschen im Blätterwald und Politikertaktieren so wenig abschrecken wie von dem hier gepflegten, radikal traditionellen Inszenierungsstil. Kinder lieben dieses Theater heiß und innig – bis sie dem Märchenalter entwachsen sind und auch nicht mehr in der Vorstellungspause im Geburtstagszimmer ihre Freunde bewirten mögen, ein Generationen verbindendes Münchner Ritual. Daher können sich auch die Auslastungszahlen sehen lassen, die zwischen 80 bis 100 Prozent liegen. 450 Vorstellungen pro Jahr, die von ca. 80 000 Besuchern gesehen werden, sprechen für Redmanns Konzept und sein Team.
 
Kampf ums Überleben

Dennoch geht der Kampf ums Überleben weiter: Momentan wirbt das Theater um Spender für einen neuen Fußboden im Zuschauerraum, hat gerade mit einem Theater-Flohmarkt Bareinnahmen verbucht und von einer drohenden Schließung im Herbst, welche die Theaterleitung vor einigen Monaten ankündigte, ist vorerst keine Rede mehr.

Stattdessen hatte am Sonntagnachmitttag "Ronja Räubertochter" Premiere, wie immer inszeniert vom Intendanten. Beruhigenderweise bleibt auch hier alles wie gehabt – eine knallvoll ausverkaufte Nachmittagsvorstellung, quirlige Gäste mit erheblichem Wusel- und Tuscheldrang, erschöpfte Eltern, die geduldig die Wünsche nach Capri-Sonnen, Mannerschnitten und Toilettenbesuchen koordinieren. Dazwischen – ach ja! – dann noch zweieinhalb Stunden "Ronja", empfohlen ab 7 Jahren.

Gefährliche Geisterwesen

Dabei wird den kleinen Besuchern erhebliche Aufregung zugemutet – denn bekanntlich hat der Mattiswald mit seinen wilden Gesellen und seinen gefährlichen Geisterwesen kaum Gemeinsamkeiten mit einem Waldkindergarten-Idyll. Schon nach wenigen Minuten scheint ein Räuber einem Herzanfall zu erliegen, dann sind die Zuschauer Zeugen der schmerzhaften Geburt der Titelheldin, später kommen noch Graugnome und Wildruden in gespenstischer Verkleidung hinzu – aber die Kinderschar steht die ganzen Aufregungen genauso tapfer durch wie die kindlichen Helden Ronja (Melanie Renz) und Birk (Diana Mörz).

Auch wenn die gipsverkleideten Treppen schon bei der Premiere abgestoßen und wackelig wirken und manch Kostüm aus dem Fundus stammen dürfte – frisch und echt wird gespielt von dem 14-köpfigen Ensemble. Den meisten Applaus aber bekam der alte Glatzen-Peer (Jochen Streicher), dessen Lieblings-Seufzer sein jugendliches Publikum fasziniert auf die Bühne ruft, wann immer er erscheint: "Jaja – Hoho."