Schwer verdauliche Pilze

29.01.2008 | Stand 03.12.2020, 6:10 Uhr

Neuburg (kpf) "Manchmal hat man das Gefühl, man lebt nicht in einem Freistaat, sondern in einem Verbotsstaat." Vehement wandte sich Bettina Häring (FDP) gestern Abend im Stadtrat gegen eine "Gängelei und Bevormundung der Bürger." Spontanen, ehrlichen Beifall bekam die OB-Kandidatin der Liberalen ausgerechnet von Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU), und das in Wahlkampfzeiten: "Vielen Dank, das freut mich sehr."

Worum ging’s überhaupt? Das Nichtraucher-Schutzgesetz treibt die Freunde des Glimmstängels auf die Straße. Die Gastronomie assistiert in der kalten Jahreszeit hilfreich mit Heiz- oder Wärmepilzen, um Service zu bieten und Kundenbindung zu schaffen. Das ist für Rudolf Niessner nicht in Ordnung. Mit dem Klimaschutz und den hehren Zielen der Stadt nicht vereinbar, findet der Freie Wähler. Immerhin hat sich die Stadt im Arbeitskreis Res publica die Leitlinie gegeben, in den kommenden Jahren CO2-Ausstoß und Verbrauch fossiler Energieträger drastisch zurück zu fahren. Niessners Antrag: Wärmepilze verbieten. Das geht aber nur auf öffentlichen Flächen, nicht auf Privatgrund, lotete die Verwaltung aus. Hans Mayrs (CSU) provokante Frage, um wie viele tausend Pilze es überhaupt gehe, konnte niemand beantworten. "Keine Ahnung", sagte Roland Egen vom Ordnungsamt. "Hier wird doch wieder mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Die zehn oder 20 Pilze darf man nicht überbewerten und nicht gleich das Kind mit dem Bad ausschütten", kritisierte Mayr, der nach eigenen Worten ganz andere Einsparpotenziale kennt.

Auf der Gegenseite neben Niessner, 3. Bürgermeister Michael Kettner (SPD): "Die Pilze sind abnorm extrem umweltbelastend." Umweltreferent Karl-Heinz Katzki (SPD) meinte ebenfalls, die Energieschleudern solle man verbieten. "Andere Kommunen machen uns das vor."

Einen Nebenkriegsschauplatz eröffnete 2. Bürgermeister Heinz Enghuber: "Die Gastronomen sollen Aschenbecher zur Verfügung stellen", forderte er. Denn wo Wärmepilze sind, sind auch Raucher. Und ohne Aschenbecher flögen die Kippen überall in der Gegend herum. Diese Feststellung wurde allgemein als richtig hingenommen. Danach ging es wieder ums Grundsätzliche. "Diese Wärmepilze sind für mich der größte Krampf, der jemals erfunden wurde", reihte sich SPD-Fraktionschef Horst Betscher in die Riege Verbotsbefürworter ein.

Die einen wollten die Pilze verbieten, die anderen wollten das Verbot verbieten. Als ehemaliger Richter erfasste der OB sofort den Haken an der Sache: Bei einem Pilzverbot gebe es in der Übergangszeit auch keine Außenbewirtung mehr. Denn ausschließlich den Rauchern die Pilze zu entziehen, das gehe zu weit. Mit 15:13 setzten sich dann die Pilzfreunde durch.