Schüler bescheren Asylbewerber

22.12.2006 | Stand 03.12.2020, 7:12 Uhr

Neuburg (DK) Aufgeregt hüpfen die Kinder um die Besucher herum. "Bekommen alle ein Geschenk oder nur die Schulkinder?" fragt ein Mädchen. Ein wenig hilflos sehen sich die Schüler der Wirtschaftsschule Neuburg an: "Alle, die auf der Liste stehen", antwortet Schülersprecher Ronny Gabel schließlich. Das sind insgesamt 25 Namen. Schwer zu lesende Namen, so dass der 15-Jährige die versammelten Kinder erst einmal um Nachsicht bittet, falls er den einen oder anderen falsch aussprechen sollte.

Zum dritten Mal hat die Wirtschaftsschule eine Spendenaktion für die Kinder im Asylantenheim am Donauwörther Berg initiiert. Jochen Stengel, Lehrer für Englisch und Religion, ist bereits zum zweiten Mal dabei, Kollegin Cathleen Berger (Deutsch und Geschichte) das erste Mal. "Das ist jetzt schon fast Tradition bei uns", meint Stengel, und versichert, er wolle die nun bis zur eigenen Rente beibehalten. Allerdings sollen nächstes Jahr wieder die Zehnklässler an die Reihe kommen, Spenden zu sammeln und zu überbringen, weil bei den Achtklässlern, die heuer an der Reihe waren, "teilweise der nötige Ernst noch ein wenig gefehlt hat – jedenfalls bei den Jungs". Was die Jüngeren aber sehr gut gemacht haben – und dafür gibt es ein Extralob von Seiten der Lehrer – ist das persönliche Geschenk für jedes einzelne Kind.

Denn die schlaue Liste, die Wolfgang Amler, Flüchtlingsberater bei der Caritas zusammengestellt hat, gab nicht nur Auskunft über Namen, sondern auch Alter und Geschlecht der Kinder, so dass die Klassen 8a, 8b und 8c, jetzt durch die Klassensprecherinnen Lisa Plöckl, Alena Miller und Nina Dittenhauser vertreten, individuelle Päckchen zusammenstellen konnten. Die tragen alle eine geheimnisvolle Nummer. Große Päckchen, kleine Päckchen, liebevoll und bunt verpackt in Geschenkpapier mit Schleifen, manchmal mit einem weiteren kleinen Huckepack-Päckchen versehen.

Ronny liest die Nummern vor, und Cathleen Berger sucht den Namen des Kindes auf der Liste. Manchmal geht sofort ein Finger in die Höhe, ein andermal Stutzen, kurzes Schweigen und schon verbessern die kleinen Zuhörer die Aussprache, so dass jetzt jedes von ihnen weiß, wer gemeint ist. "Der ist zu Hause ", heißt es da zum Beispiel, und sofort wird die Schwester losgeschickt, um den Adressaten des Weihnachtsgeschenkes zu holen. "Der ist schon 17, der ist doch kein Kind mehr, der ist ein Teenager", empört sich Wahidullah, als der Älteste (und nicht Anwesende) aufgerufen wird.

Negina ist dran. "Ich bin’s" ruft ein apartes, elfjähriges Mädchen und nimmt strahlend ihr Päckchen entgegen. Kein Stoßen, kein Drängeln, alle warten geduldig und gespannt wie kleine Flitzebogen, bis sie an der Reihe sind.

Ronny und Stellvertreterin Sarah Pietsch (9b) machen es spannend. Das letzte Päckchen liegt auf dem Tisch, die Nummer 14. "Wer ist übrig?", fragt er in die Runde. Khadidjas Finger geht in die Höhe. Erleichterung spiegelt sich auf ihrem Gesichtchen, nachdem klar ist, dass die 14 ihre Nummer ist. Noch jemand ohne? Tatsächlich, Edmar hat noch nichts bekommen. Ein Blick auf die Liste, und alle machen sich auf die Suche nach der 20. Rosmarie Scholz, Flüchtlingsberaterin beim Diakonischen Werk, findet das Gesuchte endlich unter den Päckchen, die sie für die abwesenden Kinder beiseite gelegt hat, und nun freut sich auch Edmar. "Ihr dürft auspacken" – auf Ronnys Aufforderung haben alle gewartet. Bücher, Barbiepuppen, Sonnenbrillen, ein funkelnagelneuer Radiowecker, Videokassetten, Schmuck, Malutensilien und vieles mehr, teils gebraucht, teils neu, kommen zum Vorschein.

Melissa ist erst vier Jahre alt und stand daher nicht auf der Liste. Sie darf sich nun aus der "Kiste für die Allgemeinheit" etwas heraussuchen. Plüschtiere, ein Spieltelefon und Kassetten sind darinnen. Aber Melissa ist viel zu schüchtern, um sich selbst zu bedienen. "Gib ihr halt etwas", ruft jemand Ronny zu, der aber möchte Melissa selbst wählen lassen. Was sie dann mit Wolfgang Amlers Hilfe auch tut - das Telefon hat es ihr angetan.